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Facebook träumt vom globalen Internet und stößt auf immer mehr Probleme

von Jessi Hempel
Für den Traum vom globalen Internet hat Mark Zuckerberg die besten Experten versammelt. Doch die entscheidende Hürde steht weit entfernt vom Silicon Valley.

Update 22. November 2016: Eine der wichtigsten US-Kontrollgremien für öffentliche Sicherheit untersucht einen Zwischenfall beim Jungfernflug von Facebooks Riesendrohne Aquila. Das experimentelle Flugzeug soll weltweites Funk-Internet möglich machen. Niemand sei bei dem Unfall zu Schaden gekommen, meldete das National Transportation Safety Board (NTSB). Der Schaden aber sei „substantiell“ gewesen. Der Unfall ist ein weiterer Rückschlag für Facebook, die Welt zu vernetzen. Erst im September war ein Facebook-Satellit zerstört worden, als er an Board einer SpaceX-Rakete explodierte – der Satellit sollte eigentlich den freien Internetzugang auf dem afrikanischen Kontinent möglich machen. Facebook-CEO Mark Zuckerberg zeigte sich tief enttäuscht.

Das Unternehmen trifft aber auch auf politische Hürden. In Indien etwa lehnten die Bürger das freie Web Angebot von Facebook schlicht ab – es sei weniger ein gemeinnütziges Angebot als ein versteckter Angriff auf den indischen Markt, lautete die Argumentation vieler Inder. Aquila war bis zu den neuen Entwicklungen eins der wenigen großen Erfolgserlebnisse von Facebook.

(Update Juli) Am 21. Juli 2016 hat das solarbetriebene Höhenflugzeug Aquila, das von Facebook entwickelt wurde, den ersten Testflug hinbekommen. Facebook will mit Technologien wie Aquila Menschen ohne Internet einen Zugang schaffen, rund 1,6 Millarden Männer, Frauen und Kinder leben dort, wo kein Breitbandnetz hinkommt. Beim ersten Testflug blieb Aquila zwar eineinhalb Stunden in der Luft, doch die nötige Höhe von bis zu 27 Kilometern erreichte es noch nicht.

Hier lest ihr unsere große Geschichte aus dem WIRED-Magazin vom April 2016 über Mark Zuckerbergs Pläne, das Internet überall hin in die Welt zu bringen. Darin auch: Aquila und der, der es schuf.

Es ist Samstag, 26. September 2015. Im UN-Hauptgebäude in New York läuft der Gipfel für mehr Nachhaltigkeit. Staats- und Regierungschefs sind angereist, Länderdelegierte, NGO-Vertreter – und der Gründer von Facebook. Doch die strenge Dame hinter dem Presseschalter kann mit seinem Namen nichts anfangen. „Mr. Mark Zuckerberg?“, fragt sie. „Wer ist das?“ Sie ist sicher, dass er nicht auf der Rednerliste steht. Hier, so scheint es, könnte Mark Zuckerberg ebenso gut Max Mustermann heißen.

Man würde ihn ohne Hoodie ja kaum erkennen, sagt der Moderator, als er Zuckerberg ankündigt. Einen Kapuzenpulli hatte Zuckerberg allerdings seit drei Jahren nicht mehr an. Der 31-Jährige ist jetzt erwachsen, und die Welt soll das sehen und hören.

Zuckerberg tritt ans Rednerpult. In den folgenden Minuten erklärt er, dass das Internet als grundlegendes Menschenrecht wie Gesundheit oder sauberes Trinkwasser behandelt werden sollte – für ihn das wichtigste soziale Anliegen unserer Zeit. Er sagt, dass Peer-to-Peer-Kommunikation für eine Neuverteilung der Macht weltweit sorgen werde, weil sie jedem die Möglichkeit gebe, auf Informationen zuzugreifen und sie weiterzugeben.

Die Menschen könnten staatliche Dienstleistungen nutzen, Preise für landwirtschaftliche Produkte nachsehen und medizinische Hilfe bekommen. Ein Kind in Indien – Zuckerberg liebt hypothetische Kinder in Indien – könnte ins Internet gehen und dort alles lernen, was es über Mathematik wissen muss. „Das ist die Grundlage dafür, dass Menschen an der modernen Wirtschaft teilnehmen können“, sagt er. „In zehn Jahren sollten wir nicht zurückblicken und akzeptieren müssen, dass es immer noch Menschen gibt, die keine Chance dazu haben.“ Zuckerberg tritt ab. Die Frau, die nach ihm an der Reihe ist, läuft nicht Gefahr, nicht erkannt zu werden. Es ist Angela Merkel. Jetzt dürfte auch die Pressefrau seinen Namen wissen.

Zuckerberg befindet sich auf einem Feldzug: Er will nicht weniger erreichen als die Vernetzung der Welt. Vor zweieinhalb Jahren hat er Internet.org gestartet, ein riesiges Projekt, das jeden Menschen auf der Welt mit dem Web verbinden soll. Nach seinen Berechnungen sind heute fast zwei Drittel der Weltbevölkerung – 4,9 Milliarden Menschen – noch nicht im Internet.

​Mark Zuckerberg trägt einen dunklen Anzug und eine Krawatte und hält gleich eine Rede, auf die er sich lange vorbereitet hat.

Für die meisten gäbe es zwar eine Zugriffsmöglichkeit, wenn auch eine sehr schlechte. Doch sie haben nicht genug Geld, oder sie wissen nicht, warum sie es dafür ausgeben sollen (wenn man wie ein durchschnittlicher Inder eine Familie mit 1570 Dollar im Jahr ernähren muss, hat das Netz vielleicht nicht unbedingt obers­te Priorität). Etwa 10 bis 15 Prozent der Menschen ohne Internet leben in abgelegenen Gegenden und haben bislang überhaupt keine Chance, online zu sein.

Um alle erreichen zu können, hat Internet.org mehrere Wege eingeschlagen. Facebook hat Vereinbarungen mit Telefongesellschaften in mehreren Ländern abgeschlossen, die mehr als 300 eingeschränkte Web-Angebote (einschließlich Facebook) kostenlos zugänglich machen. Gleichzeitig entwickelt Zuckerbergs Forschungs- und Entwicklungseinheit mit Namen Connectivity Lab – Google X nicht unähnlich – neue Methoden des Internetzugangs mithilfe von Lasern, Drohnen und künstlicher Intelligenz. Wenn die Technologien fertig sind, soll ein Großteil davon als Open Source auf den Markt kommen, sodass andere sie kommerzialisieren können.

Von der sonnenverwöhnten Chancenfabrik des Silicon Valley aus betrachtet, klingt diese Vision wundervoll. Zuckerberg hatte deshalb nicht damit gerechnet, auf wie viel Gegenwehr sein idealistisches Vorhaben stoßen würde. Kritiker sehen seine Mission als einen finsteren Plan zur Kolonialisierung des digitalen Universums. Sie stören sich an der Überheblichkeit eines jungen amerikanischen Milliardärs, der glaubt, dass die Welt seine Hilfe braucht, und sind der Ansicht, dass Unternehmen vor Ort und Regierungen besser geeignet sind, für Vernetzung zu sorgen.

Weil er auf die Kritik reagieren und jeden überzeugen will, egal ob Politiker oder Kollegen bei Internet.org, hat sich Zuckerberg in einen Staatsmann verwandelt. Er reist nach Panama, Indonesien oder, wie im Februar, nach Deutschland und Spanien. An der Tsinghua-Universität in Peking hat er eine Rede in Mandarin gehalten. Auf seinem Nachttisch liegen Bücher über Politik und internationale Entwicklung wie „Warum Nationen scheitern“ von Acemoğlu/Robin­son. Zuckerberg will der ganzen Welt beweisen, dass er es ernst meint. Die Frage ist nur, ob ihm die Welt das abnimmt.

Internet.org ist für ihn mehr als eine geschäftliche oder wohltätige Initiative. Die Vernetzung der Welt sieht er als seine Lebensaufgabe an, das Vermächtnis, für das man sich eines Tages an ihn erinnern soll. Zuckerberg ist überzeugt, dass die Welt Internet.org braucht. Von selbst werde das Internet nicht immer weiter expandieren, sagt er. Tatsächlich geht die Wachstumsrate bereits zurück. Die meisten Unternehmen zielen auf Menschen, die eine Chance haben, in die Mittelschichten ihrer Länder aufzusteigen oder wenigstens genügend Geld verdienen, um sich ein kleines Datenvolumen leisten zu können. Sie wollen keine Wetten auf die Armen eingehen, die am schwierigsten zu erreichen sind, in der Hoffnung, dass daraus irgendwann ein Markt werden könnte. Zuckerberg aber kann das.

Als Vorsitzender des Boards, Vorstandschef und Inhaber der Stimmrechtsmehrheit kann er die gesamte Facebook-Führung zwingen, ihn dabei zu unterstützen. „Natürlich können wir keinen Plan schreiben, warum es sich lohnen soll, Milliarden Dollar zu investieren, um hauptsächlich arme Menschen ins Internet zu bringen“, sagt er. „Aber in gewisser Weise glauben wir, dass wir genau dafür hier sind. Wir glauben, dass etwas Gutes daraus werden wird, und wenn wir das machen, wird ein Teil dieses Wertes auch zu uns zurückkommen.“

Die Arbeit des Connectivity Lab hat Zuckerberg zu einer seiner drei wichtigsten Prioritäten erklärt. Bis Jahresende will er einen Satelliten über dem südlichen Afrika in Position bringen. Bald sollen die ersten Testflüge mit Drohnen starten. Facebook hat dafür eine neue Mapping-Software entwickelt, die mithilfe von künstlicher Intelligenz genauer herausfinden soll, wo Menschen eine Mobilnetzabdeckung brauchen. Ein Vor-Ort-Team fährt in Flüchtlingscamps in Kenia und Dörfer im Landesinneren, um an Methoden zu basteln, wie die Bewohner ins Internet kommen.

Als Hamid Hemmati die erste E-Mail von Mark Zuckerberg bekommt, denkt er, es handele sich um Spam. Jahrzehntelang arbeitete der leise sprechende Forscher, der aus dem Iran stammt, am Jet Propulsion Lab der NASA daran, Kommunikationssignale mithilfe von Lasern zu über­tragen. Facebook, so denkt er, braucht junge Programmierer, keine älteren Forscher. Doch dann entschließt er sich, besser zu antworten. Die E-Mail könnte ja doch echt sein. Es ist tatsächlich Zuckerberg, der an Hemmatis Laserforschung Interesse zeigt. Im Herbst 2013 hatte er sein Internet.org-Team zusammengerufen, begleitet von Yael Maguire, 40 Jahre alt, Träger eines Doktortitels des MIT Media Lab und Technikchef des Connectivity Lab. Zuckerberg nennt ihn den „internen und externen spirituellen Anführer“ des Labors – er beherrsche die nötige Wissenschaft, verliere dabei aber nie die Mission von Internet.org aus den Augen.

Zuckerberg befragte Maguire und den Rest des Teams nach neuen Ansätzen. Seit dem Start von Internet.org hatte Facebook den Großteil seiner Ressourcen auf schnell erreichbare Ziele angesetzt – Software für bessere Netzverbindungen etwa oder Apps, die weniger Daten verbrauchen. Jetzt aber wollte Zuckerberg, dass das Labor mutigere Wege einschlug. Seine Leute sollten über Projekte nachdenken, die vielleicht ein Jahrzehnt Arbeit erfordern, aber ein grundlegend neues Verständnis für die Funktions- und Übertragungsweise des Internets bringen würden. Seine Regel: Facebook geht Projekte an, die die Chance haben, zehnmal mehr Vernetzung zu ermöglichen oder den Preis in ähnlichem Maß zu verringern.

Eine der Ideen, die bei ihm Anklang fanden, sind Daten, die per Laser übertragen und von Drohnen zur Erde gesendet werden. Die unsichtbaren Lichtstrahlen ermöglichen eine extrem hohe Bandbreite und sind nicht reguliert. Das Team für Laserkom­munikation bei Facebook arbeitet an Lasern, die Daten zehnmal schneller übertragen sollen als heutige Versionen. Das Problem ist, dass es die Technologie, die man braucht, um im großen Stil Laser zu nutzen, noch nicht gibt. „Die Leute haben gesagt: ,Ach ja, es gibt da diesen optischen Kram, der in Zukunft theoretisch funktionieren könnte‘“, erinnert sich Zuckerberg. Erst in einem Jahrzehnt, so hieß es, werde das kommerziell sinnvoll sein.

Zuckerberg bat das Team um eine Liste von Experten. Einer davon war Hemmati. Nachdem der Zuckerberg in Menlo Park in Kalifornien besucht hatte, unterschrieb er. „Wie oft bekommt man schon die Chance, an einem Projekt mitzuarbeiten, das die Welt für Milliarden Menschen besser machen könnte?“ Sein Labor befindet sich in einem unauffälligen Büropark im Norden von Los Angeles. Auf Tischen liegen Schrauben und Laser herum. An der Wand hängt ein Poster mit dem Zitat aus einem Austin-Powers-Film: „WARNING: SHARKS WITH FRICKIN’ LASER BEAMS ATTACHED TO THEIR HEADS“. Hemmati und sein Team arbeiten an einer enormen Herausforderung. Mit der haben sich auch schon viele Forscher vor ihnen herumgeschlagen. Sie müssen herausfinden, wie man mit Lasern genauer zielt. Und sie müssen einen Plan für trübe Tage finden – ganz wörtlich. Laser können keine Wolken durchdringen.

Hemmati ist fast jeden Tag in Kontakt mit Maguire, und der hält seinen Chef auf dem Laufenden. Das hat mitunter produktive Spannungen zur Folge. Zuckerberg, zu Hause in der schnellen Welt des Programmierens, hat es immer eilig – er will möglichst rasch Beta-Versionen von Projekten herausbringen und in der Öffentlichkeit darüber sprechen. Maguire dagegen trägt unter anderem Verantwortung für den Bau von Fluggeräten. Ein Mitarbeiter formuliert es so: „Wir versuchen, Mark dazu zu bringen, dass er versteht: Was wir machen, ist etwas anderes, als Code zu schreiben und ihn auf einen Server zu kopieren. Es gibt hier auch physische Aspekte: Chips, Funkmodule, Hochleis­tungslaser und Flugzeuge, die vom Himmel fallen können.“

Noch in diesem Jahr will Facebook damit beginnen, seine Laser in der Praxis zu testen – es wäre der erste Testlauf für das komplette Vernetzungssystem. Aber damit es funktioniert, muss erst noch eine andere entscheidende Komponente fertig werden: die Drohnen.

Eine halbe Welt von Kalifornien entfernt, in der kleinen Industriestadt Bridgwater drei Stunden westlich von London, arbeitet eine Mannschaft am ambitioniertesten Projekt von Facebook. Auf einem Schild vor dem Pub im Zentrum steht „BABYSITTING FÜR EHEMÄNNER“. Nach zehn Minuten Fahrt erreicht man ein niedriges Ziegelgebäude, das nur als „#11“ gekennzeichnet ist. Trotzdem weiß jeder, was sich dahinter verbirgt. „Wir haben versucht, den Leuten zu erzählen, dass das ein Lagerhaus ist“, sagt der Technikchef Andy Cox. „Aber wir bekamen ungefähr 10 000 Pakete. Hier kommt alles rein, aber nichts raus.“

Cox, 53 Jahre alt, ist verantwortlich für Aquila, Facebooks Drohne in Jetgröße. Er ist ein professoral auftretender Maschinenbauer, der in seiner früheren Karriere für den Bau der Disney-Achterbahn Rock ’n’ Roller Coaster verantwortlich war. In jüngerer Vergangenheit gehörte er zu dem Team, das eine solarbetriebene Drohne zwei Wochen am Stück fliegen ließ und so einen Rekord markierte. 2010 verabschiedete er sich davon und gründete die Luftfahrt-Beratungsfirma Ascenta.

Dann rief ihn im Frühjahr 2014 jemand aus der Facebook-Geschäftsentwicklung an und bot ihm 20 Millionen Dollar für sein Unternehmen. Nur neun Tage später arbeitete Cox für Zuckerberg. „Ich habe das bislang älteste Team zu Facebook gebracht“, sagt er und zählt auf: Aerodynamiker, Strukturspezialisten und anderen Kollegen. „Zwei waren 74 Jahre alt, einer 65, einer 67, und dann gab es noch mich mit 51.“

Wer den Prototyp aus nächs­ter Nähe sehen möchte, muss in dem Lagerhaus auf eine Leiter steigen – aber erst, wenn er seine Armbanduhr abgelegt hat, um nicht aus Versehen Dellen in die Karosserie zu hauen. Dutzende weißer Kreidekreise zeugen davon, dass jemand anderes nicht so vorsichtig war. Um die Intaktheit der Außenhaut sicherzustellen, wird Cox sie später alle einzeln mit einem Ultraschallgerät untersuchen. Er kann nicht riskieren, dass auch nur ein winziger Fehler seinen Fortschritt aus der Spur bringt, insbesondere, wenn sich dessen Tempo nach der Uhr von Zuckerberg richtet.

Aquila ist eine Drohne in Bumerangform mit der Spannweite einer Boeing 737. Sie soll langsam durch die Luft schweben und mehrere Monate lang nicht landen müssen. Das Gerät wiegt weniger als 500 Kilogramm – das ist ungefähr ein Hundertstel eines Passagierflugzeugs.

Die Drohne soll in 20.000 Metern Höhe fliegen – höher als Passagierflugzeuge und Militärmaschinen.

Normalerweise, erklärt Cox, brauche man für eine Entwicklung vom Konzept bis zum Flug sieben Jahre. Die Drohne soll in 20 000 Metern Höhe fliegen – höher als Passagierflugzeuge und auch als die meisten Militärmaschinen. Dort oben ist die Luft nur neun Prozent so dicht wie auf Normalnull, sodass für geringere Höhen ausgelegte Flugzeuge nicht genügend Auftrieb hätten. Für den Aufstieg der Drohne hat Cox einen Heißluftballon vorgesehen. Dessen Luft wird anschließend abgelassen, sodass er zu Boden fällt. Dank eines Positionierungssystems kann ihn das Team einsammeln und danach wiederverwenden. Außerdem muss das Team eine Lösung finden, um an den Enden der weit auseinanderliegenden Flügel den Flattereffekt zu unterbinden, durch den das Fluggerät in unkontrollierbare Schwingungen geraten kann.

Indem Cox einen Teil der Forschungsarbeit an Universitäten vergibt, hofft er, schon nach etwas mehr als einem Jahr fertig zu sein. Bis Ende dieses Jahres will er ein System testen, das in etwa so funktioniert: Eine Boden­station überträgt Funksignale zu einer Drohne, die sie über Laser an weitere Drohnen weitergibt. Die Luftflotte versorgt über Laserstrahlen Transponder, die maximal 50 Kilometer von jeder Drohne entfernt sind und das Signal über WLAN- oder 4G-Netze für die Nutzer weiterreichen. Datentarife und Preise hat Facebook noch nicht festgelegt. Am Ende sollen 10 000 Aquila-Drohnen Hotspots dort bilden, wo sie gebraucht werden. Wie bei den meis­ten Projekten des Connectivity Lab will Facebook die Technologie auch in diesem Fall zur Kommerzialisierung durch Außenstehende freigeben.

Am nächsten Tag zerlegen Cox und sein Team Aquila in alle Elemente. Sie wiegen jedes Bauteil und überprüfen die Tragestruktur sowie Motoren, Transis­toren und Propeller. Eigentlich wollte Cox Aquila schon im vergangenen Oktober in die Luft bringen, doch diesen Termin musste er mehrmals verschieben. Im Januar flog erst einmal ein acht Meter großes, maßstabs­getreues Modell. Diese Versuche wurden durch die von El Niño ausgelösten Stürme erschwert. Cox hat noch eine Menge Arbeit vor sich, bevor er Zuckerberg dabei helfen kann, das Internet durch die Luft zu schicken.

Während er, Hemmati und Maguire an der Umsetzung von Zuckerbergs Vision arbeiten, wächst die Zahl der Kritiker, die nach dessen wahren Absichten fragen. Der Ärger, der ihn auf dem falschen Fuß erwischt hat, dreht sich um seine Versuche, Partnerschaften mit Mobilfunknetzbetreibern in mehreren Teilen der Welt zu schließen, damit sie Smartphone-Nutzern eine Auswahl von Webseiten einschließlich Facebook ohne Datengebühren zugänglich machen. Entwickler können dafür abgespeckte Versionen ihrer Apps anbieten, die schneller laden und auch in weniger robusten 2G- und 3G-Netzen funktionieren.

Schon die Markteinführung verlief nicht glatt. Im vergangenen April zogen mehrere indische Verlage ihre Inhalte zurück. Die Facebook-Vereinbarung mit lokalen Netzbetreibern, freien Zugang nur zu ausgewählten Diensten zu gewähren, verstoße gegen das Prinzip der Netzneutralität, begründeten sie ihren Schritt. Andere Anbieter würden dadurch benachteiligt. Zuckerberg antwortete in einem Beitrag auf Facebook. Das Unternehmen habe keinerlei Absicht, das In­ternet zu blockieren oder zu drosseln, sondern ermögliche schlicht Zugang für Menschen, die sonst offline bleiben müssten. „Diese Prinzipien – Netzneutralität und universeller Zugang – können und müssen nebeneinander existieren“, schrieb er.

Doch die Skepsis in Indien nahm weiter zu. Daran konnten weder die Namensänderung von Internet.org in Free Basics etwas ändern, um dem Anschein entgegenzuwirken, Facebook und die anderen Apps seien das gesamte Internet, noch die Ankündigung, die Entwicklerplattform zu öffnen, sodass jeder Apps einstellen kann. Im Februar entschied die indische Telekommunikationsaufsicht, den Dienst vorübergehend zu stoppen.

Andy Cox hat eine Drohne 14 Tage in der Luft gehalten. Jetzt sollen es ein paar Monate werden.

Auch in Ägypten, ei­nem seiner frühesten und er­folgreichsten Märkte, musste Facebook den Dienst aussetzen. Die ägypti­schen Behörden entschieden, eine Genehmigung für zwei Monate nicht zu verlängern. Man könnte annehmen, dass die beiden Länder ähnliche Bedenken hatten, doch tatsächlich ist die Lage weniger eindeutig. Weder die ägyptischen Aufseher noch Facebook wollen eine offizielle Begründung für die Einstellung des Dienstes nennen.

Am 25. Januar jährte sich allerdings der Auftakt des Arabischen Frühlings zum fünften Mal, der zum Sturz des früheren Präsidenten Hosni Mubarak führte. 2011 hatte Facebook eine entscheidende Rolle für die Organisation der Proteste gespielt. Anfang Januar gab es eine Razzia gegen Aktivisten: Sicherheitskräfte nahmen drei Personen fest, die 23 Facebook-Seiten verwalteten. Zwar sagte ein ägyptischer Aufsichtsbeamter der Nachrichtenagentur Reuters, die Aussetzung von Free Basics habe nichts mit Sicherheitserwägungen zu tun. Doch laut Facebook hatten drei Millionen Ägypter Zugang zu dem Dienst, darunter eine Million, die damit zum ersten Mal ins Internet kamen.

So entmutigend die Kritiker für Zuckerberg auch sein mögen, sie sind nicht einmal die größte Herausforderung – das sind die Menschen, die erst davon überzeugt werden müssen, dass sie das Internet überhaupt brauchen. Ein Besuch bei Ryan Wallace in Südafrika, einem schlaksigen Mann von 38 Jahren, der früher für die British Royal Navy Internetzugang an entlegenen Orten eingerichtet hat. Das Know-how von damals nutzt er heute als Mitglied des Bodenteams von Internet.org. Wallace ist auf dem Weg nach Polokwane, einer Stadt im armen Nord­osten des Landes. Dort zeigt sich, wie schwer es ist, Menschen den Sinn dessen zu vermitteln, was Zuckerberg als Menschenrecht bezeichnet: den freien Zugang zu Informationen, die das Leben besser, gesünder und chancenreicher machen sollen.

In Polokwane arbeitet James Devine für Project Isizwe, eine lokale Wohlfahrtsorganisation, die kostenloses WLAN anbietet. Devine und Wallace haben eine Partnerschaft vereinbart, bei der Facebook mehrere Hotspots finanziert und Isizwe sich um die Wartung kümmert. In einem der beteiligten Dörfer kommt einer Frau eine besondere Bedeutung zu. Devine und Wallace nennen sie nur die Lady mit der Hühnerhütte. Sie sind überzeugt: Unter anderem von ihr hängt Zuckerbergs Erfolg ab.

Als sie im Dorf eintreffen, ist die Lady nicht da. Stattdessen liegt ein Mann auf der Bank neben einem Hotspot. Er hat ein Smartphone bei sich – mit dem er nicht im Web surft. „Weißt du, dass du hier ins Internet kannst?“, fragt ihn Wallace. Der Hotspot ist seit einem Jahr in Betrieb. Gemäß der Vereinbarung zwischen ihm und Devine bekommen Nutzer in dieser Gegend ein kleines Datenvolumen kostenlos. Die Dienste der Free-Basics-App können sie ohnehin nutzen.

Der Mann zuckt mit den Schultern. Wallace nimmt sein Telefon, tippt auf die Einstellungen und aktiviert das WLAN-Kästchen, sodass er online ist. „Es ist kostenlos“, sagt Wallace. Der Mann nimmt sein Telefon zurück, ohne jedes Anzeichen von Begeisterung.

Für Zuckerberg ist dieser Mann die größte Prüfung überhaupt. Die politischen Hürden, das Fehlen eines profitablen Geschäftsmodells und die technischen Schwierigkeiten, die Drohnen und die Laser – nichts von dem ist von Belang, solange die Menschen nicht den Wunsch haben, vernetzt zu sein. Und herauszufinden, was sie vom Web wollen könnten, ist so vielfältig wie das Web selbst.

Dann fährt die Lady mit der Hühnerhütte in ihrem weißen Pickup vor. Ihr Name ist Norah Mphedziseni Namalale. Freunde aber nennen sie nur Pedzi, sagt sie. Sie ist 35 Jahre alt und verkauft Hühnchenspieße vom Grill neben dem Hotspot. Über den Zugangspunkt weiß sie alles – wann er ausfällt, wer ihn benutzt und warum. „Die meisten wissen gar nicht, dass wir ihn haben“, sagt sie. „Wir haben nichts getan, um ihn bekannt zu machen. Und man kann hier nirgendwo gemütlich sitzen. Die Leute haben Angst, dass ich sie wegjage, wenn sie rüberkommen.“

Wallace glaubt, dass lokale Kleinunternehmer wie Namalale der Schlüssel dafür sein könnten, dem Internet hier zum Abheben zu verhelfen. Er macht sich bereits Gedanken, wie er sie dazu bringen könnte, kleine Datenpakete für lokale Mobilfunker zu verkaufen – im Gegenzug könnten Facebook und Isizwe bequemere Sitzgelegenheiten an ihrem Hühnchenstand bauen. Dieses Modell habe schon in Rishikesh funktioniert, erzählt er, einer kleinen Stadt an der Ganges-Mündung im Norden Indiens. Vielleicht kann Namalale tatsächlich diejenige sein, die den Mann mit dem Smartphone überzeugt, dass er das Internet braucht. Doch dafür sind noch viele weitere Gespräche nötig – und Wallace gehört nur zu einem sehr kleinen Team, das diese Arbeit in vielen Dörfern und Städten in einem Dutzend Ländern erledigen muss.

Es ist häufig so, dass der gewinnt, dem etwas wichtig ist und der daran glaubt.

Mark Zuckerberg

Solche Herausforderungen könnten jeden demoralisieren. Doch aus Zuckerbergs Perspekti­ve sind das Hürden, die man einkalkulieren muss, von denen man sich aber nicht stoppen lassen darf. Bei einem Gespräch über seine Kritiker, die langwierigen Drohnen-Tests und die Schwierigkeiten, Menschen die Vorteile des Internets schmackhaft zu machen, erinnert er sich an eine seiner Lieblingsgeschichten aus der Gründerzeit von Facebook.

Es war ein paar Tage, nachdem er die Website gestartet hatte. Sein Informatiker-Kumpel und er bestellten Pizza und unterhielten sich. Zuckerberg sagte, irgendwer werde ein soziales Netzwerk aufbauen, weil so etwas einfach zu wichtig sei, um nicht zu existieren. Damals dachte er selbst nicht, dass ausgerechnet er derjenige sein würde – dafür gab es ältere Leute und größere Unternehmen. Warum also er?

„Wahrscheinlich, weil es uns wichtig war. Es ist häufig so, dass der gewinnt, dem etwas wichtig ist und der daran glaubt“, sagt er. „Ich habe nicht von Anfang an erkannt, was aus Facebook werden würde. Für mich hat das große Ähnlichkeit mit dem, was bei Internet.org passiert.“ Die Erfahrung hat gezeigt, dass man nicht allzu viel darauf setzen sollte, dass Mark Zuckerberg unterwegs die Luft ausgeht.

Warum sich gerade Indien an Zuckerbergs Internet.org-Plänen stößt, lest ihr hier.

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