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Auf Elektroautos von VW, Mercedes & Co. muss man lange warten

von Martin Pieck
Alle reden über die Lieferprobleme von Tesla. Aber sieht es bei den deutschen Herstellern viel besser aus? WIRED ist durch Autohäuser getourt – und musste feststellen: Die Wartezeiten sind teils ewig, die Informationen widersprüchlich.

„Die Leute rennen unseren Elektro-Autos zurzeit hinterher“, sagt der Autoverkäufer lächelnd. Wie seine Kollegen in unserem Versuch bleibt er anonym. Wir sind in einem Opel-Autohaus. Der Mann ist zwar sympathisch – das macht das, was er sagt, aber nicht besser: Wer einen neuen Ampera-e will, der müsse zurzeit rund 20 Monate warten.

Seltsam, denn die WIRED-Anfrage in der Opel-Pressestelle ergibt etwas anderes. Nach einigem Hin und Her verweist man uns dort an einen der zuständigen „Agenten“ für die Opel-E-Autos. Der klingt optimistischer: Sieben bis acht Monate seien derzeit eine realistische Wartezeit – und zwar bei allen Händlern in Deutschland. Wie passt das zusammen? Unsere Recherche zur Elektromobilität „Made in Germany“ beginnt verwirrend. Und sie wird nicht viel besser weitergehen – aber von vorne.

Hersteller waren auf steigende Nachfrage nicht vorbereitet

In zwei Jahren müssten eigentlich rund 20-mal mehr Elektroautos auf unseren Straßen fahren als heute – zumindest, wenn die Bundesregierung ihr Ziel erreichen will: Eine Million E-Autos sollen bis 2020 angemeldet sein. Geht man nur von reinen Stromern aus, ist man mit knapp über 50.000 zurzeit meilenweit entfernt. Immerhin: Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet das eine Steigerung von etwa 40 Prozent, freilich auf niedrigem Niveau.

Obwohl viele Autokäufer immer noch wegen geringer Reichweiten, langen Ladezeiten oder höheren Preisen zurückhaltend sind, steigt die Nachfrage nach Elektroautos langsam an. Einige Hersteller waren darauf aber offenbar nicht vorbereitet. Das erlebt man, wenn man deutsche Autohäuser besucht.

„Wenn ich ehrlich bin, würde ich mir gerade kein E-Auto bei uns kaufen.“

VW-Verkäufer

Nach Opel folgt der nächste Halt: Audi. Dort geht es entspannter zu. „Ich schätze, dass man auf unseren e-tron vier Monate warten muss“, heißt es. Ob diese Schätzung aufgeht, wird man aber erst in einem knappen Jahr beurteilen können. Schließlich ist der Stromer aus Ingolstadt noch gar nicht zu haben. Ende des Jahres soll man ihn bestellen können, beteuert der Verkäufer.

Vier Monate? Bei Volkswagen kann es passieren, dass man schon auf die Testfahrt mit einem Elektroauto so lange warten muss. Das sagt jedenfalls der Mitarbeiter im VW-Autohaus – und geht noch weiter: VW halte deutschlandweit insgesamt gerademal sechs E-Probefahrzeuge bereit. Soweit, so bedauerlich. Dann aber verblüfft der VW-Mann völlig: „Wenn ich ehrlich bin, würde ich mir gerade kein E-Auto bei uns kaufen.“

VW plant für 2020 eine „Offensive“

Was auf den ersten Blick wie Sabotage des eigenen Arbeitgebers klingt, ist auf den zweiten Blick vielleicht einfach nur guter Kunden-Service. Den Grund schiebt er nämlich gleich hinterher: die Wartezeit von zwölf Monaten. Wenn man sein Auto bekäme, im Spätsommer 2019, würde es in kurzer Zeit gleich zweimal an Wert verlieren. Einmal, weil jeder Neuwagen nach den ersten Kilometern nicht mehr neu ist. Zum anderen, weil VW für 2020 seine große Elektro-Offensive plane – mit neuen Modellen und mehr Reichweite.

Die nächste Überraschung bringt dann die Nachfrage bei der VW-Pressestelle in Wolfsburg. Die Wartezeit betrage nicht ein Jahr, sondern fünf Monate beim e-up und sieben Monate beim e-Golf. Möglicherweise sollten Pressestellen und Händler hin und wieder miteinander telefonieren.

Im Smart-Autohaus fängt es erstmal vielversprechend an. Einen elektrischen forfour und drei fortwo präsentiert die quirlige Verkäuferin. Einen Termin zum Probefahren könne man bereits für den nächsten Tag vereinbaren. Super! Doch mit einem Satz macht sie alles wieder zunichte: „Ein Jahr Wartezeit sollte man schon einplanen.“ Tja. Immerhin versucht sie, die Sache zu erklären: „Ich glaube, die Diesel-Skandale hatte niemand auf dem Zettel. Die Leute sind unsicher und wollen lieber in Technik investieren, mit denen sie auch in Zukunft in die Stadt fahren können“. Außerdem sei ein Jahr eine vorsichtige Schätzung, es könne auch schneller gehen! Versprechen wolle sie aber nichts.

Auch bei Daimler, dem Smart-Mutterkonzern, ist die Pressestelle optimistischer: Wer jetzt bestellt, könne im ersten Quartal 2019 im eigenen Elektro-Smart sitzen. Das wären „nur“ noch sechs bis neun Monate. Ähnlich wie VW plant auch Smart für 2020 eine Stromer-Offensive. Die Daimler-Tochter ist dabei aber deutlich konsequenter. Ab dann soll es nämlich ausschließlich Smarts mit Elektroantrieb geben. Vielleicht verkürzen sich damit ja die Wartezeiten.

BMW hat die kürzeste Wartezeit

Nächste Runde, diesmal BMW. Der Verkäufer hat zwar nicht gerade gute Laune, scheinbar aber gute Nachrichten. Telefonisch fragt er in München nach, wie lange man derzeit auf den elektrischen i3 warten müsse. „Zehn Tage“, lautet die Antwort, die er mit einem triumphierenden Lächeln weitergibt. Kann das sein? Ein kurzer Blick auf das Schild an der Wand klärt die Sache auf, leider. Der Verkäufer sitzt in der Abteilung für Gebrauchtwagen. Natürlich muss man hier kein Jahr warten.

Der Besuch beim Neuwagen-Kollegen läuft aber trotzdem ganz gut: Auf viereinhalb Monate schätzt er die Lieferzeit für den i3. Lassen wir den noch nicht erhältlichen Audi außen vor, ist BMW damit Spitzenreiter in unserem Vergleich. Natürlich gibt es auch bei BMW wieder einen Einspruch aus der Pressestelle, aber der Unterschied zu den Infos aus dem Autohaus ist klein: Nur drei Monate müsse man demnach auf den i3 warten. BMW punktet also auch mit der geringsten Diskrepanz bei den Angaben zur Lieferzeit. Die Münchner haben ja auch schon mehr Erfahrung mit Elektromobilität als die meisten Konkurrenten.

„Am besten wenden Sie sich im Herbst noch einmal an uns.“

Mercedes-Verkäufer

Bei Mercedes versucht man uns für Hybrid-Modelle zu begeistern, wie den GLC 350 e – denn der EQC, der erste reine Stromer der Marke, soll erst nächstes Jahr erscheinen. In den nächsten sieben Jahren sollen sogar zehn elektrische Mercedes-Modelle auf den Markt kommen. Das ändert aber nichts daran, dass der Verkäufer derzeit noch kaum etwas zum EQC sagen kann: „Am besten wenden Sie sich im Herbst noch einmal an uns, bis jetzt kann ich nichts zu Wartezeiten sagen.“

Fazit: Das muss besser werden!

Wer noch in diesem Jahr ein deutsches Elektroauto haben will, hat kaum Auswahl: entweder den i3 von BMW oder den e-up von VW, aber nur falls bei Volkswagen die Pressestelle recht hat, was die Lieferzeit angeht. Unser Fazit fällt daher ziemlich bescheiden aus: Verwirrende Angaben zu Wartezeiten, Verkäufer, die uns von E-Autos abraten, keine Testautos. Wenn im nächsten und übernächsten Jahr die neuen Modelle von Mercedes, Audi & Co. auf den Markt kommen, kann und muss es eigentlich nur besser werden. Bis dahin ist Schadenfreude über Lieferprobleme bei Tesla völlig unangebracht.

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