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Auch bei Pokémon Go gibt es längst Betrüger

von Dominik Schönleben
Pokémon Go gibt es in Deutschland erst seit knapp einer Woche, doch schon jetzt haben Spieler angefangen, das Augmented-Reality-Spiel zu hacken. So entzaubern sie das Mysterium hinter der Monsterjagd und verschaffen sich einen unfairen Vorteil.

Daniel Ziegener braucht nur fünf Minuten, um das seltene Feuer-Pokémon Vulpix zu finden. Es versteckt sich gerade in der Nähe des WIRED-Büros. Um es zu fangen, müsste der Systemadministrator jetzt nur noch seine GPS-Position auf dem Smartphone manipulieren. Apps dafür gibt es zur Genüge. Ziegener könnte das Pokémon also fangen, ohne dass er sich dabei von seinem Sofa erheben müsste.

Das eigentliche Spielprinzip von Pokémon Go ist die Suche, das Wandern durch Straßen und Wälder. Gemeinsam mit Freunden oder Menschen, die man an der letzten Arena getroffen hat, erforscht man die Welt. Genau diese Freude am Entdecken, dieser soziale Kernaspekt von Pokémon Go wird nun jedoch durch Hacks zerstört. Alles, was das Spiel ausmacht, wird damit entwertet – denn die übrigen Mechaniken hinter Pokémon Go waren nie besonders aufregend.

Mit der Software Pokémap, die vom Programmierer Ahmed Almutawa auf der Entwicklerplattform Github veröffentlicht wurde, hat Daniel Ziegener die Macht über das Spiel übernommen. Auf einer dynamischen Karte kann er sehen, wo sich alle Pokémon in der Umgebung derzeit befinden – inklusive eines Timers, der angibt, wie lange sie dort noch zu finden sind. Das Spiel ist entzaubert, die Jagd nach den Pokémon vorbei, zumindest in ihrem ursprünglichen Sinne. Wenn man ein besonders seltenes Exemplar haben möchte, bedeutet es keine stundenlangen Spaziergänge mehr, keine aufregenden Suchen mit dem ungenauen Pokémon-Radar.


Für Nutzer ist Pokémap noch recht schwer zu bedienen. Es ist ein Programm, das von einem Software-Entwickler für andere Software-Entwickler gebaut wurde. Man muss sich zuerst ein Plugin für die Programmiersprache Python installieren und Pokémap selbst besitzt kein Interface, sondern muss direkt aus der Kommandozeile gestartet werden.

Dann gibt man die Login-Daten seines Trainer-Accounts ein, eine Adresse sowie den Radius, den man absuchen möchte. Dann simuliert das Programm innerhalb von Sekunden, wie ein Pokémon-Trainer mit seinem Smartphone in der Hand die komplette Umgebung abläuft. Sämtliche Pokémon-Sichtungen trägt die Software dann auf einer Google-Maps-Karte ein.


Die Hobby-Entwickler hinter Pokémap arbeiten nach eigenen Angaben bereits an einer Android-App und einer Windows-Version, die sich jeder installieren kann. Bald also könnten Pokémon-Trainer auch die seltensten Monster mit ein paar Klicks oder Taps finden. (Update 22.07.16: Mittlerweile gibt es PokéVision, eine Browser-Version des Programms, die auch mobil funktioniert und mit der man sich zumindest Pokémon in der nächsten Umgebung anzeigen lassen kann.)

Dieser Hack sowie andere Tricks von Programmierern greifen das Spielprinzip von Pokémon Go an. Denn nicht nur die Orte, an denen sich Pokémon verstecken, waren geheim. Äußerst wenig wurde von der Entwicklerfirma Niantic Labs darüber mitgeteilt, wie das Spiel wirklich funktioniert. Das machte viel von der Faszination von Pokémon Go aus.


Spieler stellten sich Fragen wie: Was bestimmt die Wettkampfpunkte eines Pokémon? Welche Attacken sind am besten? Was ist die beste Technik einen Pokéball zu werfen? Und wie hoch ist das maximale Level der einzelnen Monster-Arten? In den ersten Tagen wurde all das immer wieder anhand von Erfahrungsberichten diskutiert und die besten Theorien setzten sich durch. Wie echte Wissenschaftler mussten Spieler das Augmented-Reality-Spiel beobachten und daraus Schlüsse ziehen. Doch seit dem Wochenende sind die Antworten auf all diese Fragen keine Geheimnisse mehr.

Ein anonymer Entwickler hatte den Code des Spiels entschlüsselt und auf Github veröffentlicht, ähnlich wie bei Pokémap. Aus dem Programmcode haben dann Spieler gemeinsam die Statistiken und Funktionen des Spiels extrahiert. In einem eigenen Wiki kann man mittlerweile nahezu alles nachlesen.

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Unter anderem, welche Pokémons den höchsten Angriffsschaden haben, wie viele Pokémon man zusätzlich findet, wenn man den Gegenstand „Rauch“ einsetzt und welche neuen Gegenstände wohl erst noch von den Entwicklern freigeschaltet werden müssen. Die innere Magie des Spiels liegt offen. Jetzt ist klar: Aquana ist das beste Pokémon – mit Abstand. Und jeder weiß jetzt auch, wo man es finden kann.


Warum Niantic noch nichts gegen die Hacks unternimmt? Die Entwickler sind vermutlich noch damit beschäftigt, die Server des Spiels stabil zum Laufen zu bringen. Der Server-Totalausfall am vergangenen Wochenende zeigte, wie instabil Pokémon Go noch ist. Am Donnerstag wird das Spiel in Japan veröffentlicht, einem Land, das Ende der 90er quasi synonym für den Pokémon-Hype stand. Erst wenn Niantic Labs diesen Launch gemeistert hat, kann es sich den Cheatern und Hackern zuwenden.

Auf eine Anfrage von WIRED reagierte Niantic Labs bis zum Donnerstagvormittag nicht. Jedoch äußert sich die Firma in den Nutzungsbedingungen von Pokémon Go deutlich zu diesem Thema: „Jeder unautorisierte Zugriff von Software durch Drittanbieter, der das Spiel modifiziert oder automatisiert ist verboten“, heißt es dort. Ein Verstoß würde demnach mit einer Suspendierung oder Kündigung des Spieler-Accounts geahndet werden.

Selbst wenn Niantics Labs nicht gegen die Hacker vorgeht und auf technischem Weg nicht verhindert, dass Programme wie Pokémap funktionieren, sollte man der Versuchung wiederstehen, sie zu benutzen. Sie banalisieren alles, was Pokémon Go ausmacht. Und eines ist sicher: Hat man endlich alle 150 Pokémon gefunden, dann ist der Spaß vorbei.


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