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Privatsphäre? Dafür bezahle ich gerne!

von Johnny Haeusler
Unser Kolumnist Johnny Haeusler glaubt, dass Apple mit den angekündigten Sicherheitsfunktionen in der nächsten Version des Betriebssystems macOS Vorreiter ist. Nicht aus moralischen Gründen, sondern aus geschäftlichen.

Selten habe ich so viel Einblick in die von einzelnen Websites genutzten Tracking-Technologien beziehungsweise deren Dienstleister bekommen wie seit Einführung der DSGVO. Die meisten Seiten bieten mittlerweile eine von mir einstellbare Übersicht, mal mehr, mal weniger versteckt, und bei einigen davon kann man mit einem Klick sagen: Nee, danke, möchte ich nicht. Oder halt auch: Ja, ist okay, mach halt, ist mir schnuppe.

Eine Frage, die ich mir dabei aber immer stelle: Warum werden diese Einstellungsmöglichkeiten eigentlich den Betreiberinnen der Websites überlassen? Warum müssen sie von mir gesucht und bei jedem einzelnen Dienst relativ aufwändig verwaltet werden? Wieso sind Einstellungen zum Online-Tracking nicht einfach in meinem bevorzugten Browser integriert oder gar ins Betriebssystem?

Nach den Ankündigungen von Apple während der letzten Entwicklerkonferenz WWDC wird diese Frage wohl in den kommenden Monaten immer mehr Gewicht bekommen. Denn das Unternehmen aus Cupertino stellte genau jene Sicherheitseinstellungen für die im Herbst erscheinende Version des Apple-Betriebsystems macOS und den Apple-Browser Safari vor. Neben den bei Apple sowieso vergleichsweise hohen Verschlüsselungsstandards bei der Kommunikation erhalten Nutzerinnen von mobilen und Schreibtischgeräten weitere Möglichkeiten zur Kontrolle ihrer persönlichen Präferenzen.

So muss Drittsoftware in Zukunft für sämtliche Zugriffe auf Kommunikationsdaten wie Mails oder Messages, aber auch für die Nutzung der in Macbooks eingebauten Kamera und des Mikrofons die jeweilige Zustimmung der Nutzerinnen einholen – auf iOS-Geräten war und ist das bereits Standard, unter macOS wird es das nun auch. Und: Der Browser Safari erkennt nicht nur, welche Websites versuchen, die Nutzerinnen mittels Cookies zu tracken, sondern auch, ob eine Site einen hardwareseitigen „Fingerabdruck“ des Geräts erstellen möchte – sich also anhand der Hardware- und Nutzungsdaten den persönlichen Computer „merken“ möchte. Auch hier bleibt unter macOS die Kontrolle bei den Usern. Die werden solche Funktionen mit Sicherheit – haha – begrüßen.

Apples Verhalten ist kluges und vorausschauendes Geschäftsgebaren.

Man könnte das alles als Kampfansage an Facebook, Google und andere empfinden – oder als moralische Entscheidung. In Wahrheit ist es aber nur kluges und vorausschauendes Geschäftsgebaren.

Seit einigen Jahren stellt Apple auch im Marketing in den Vordergrund, dass das Unternehmen sein Geld mit dem Verkauf von Hard- und Software verdient. Und nicht mit der Analyse und Auswertung von Daten oder mit personalisierter Werbung. Texte und Erläuterungen zum Thema Datenschutz werden neben den juristischen Versionen Apple-typisch verständlich erklärt – hier im Vergleich das entsprechende Gegenstück bei Microsoft – und es macht den Anschein, dass Apple zu den wenigen Unternehmen gehört, die sich nicht über die DSGVO aufregen, sondern sie als Chance begreifen.

Denn klar ist, dass strengere Datenschutzrichtlinien, die nicht nur in Europa umgesetzt werden, die für personalisierte Werbung nötige Datensammlei erschweren. Firmen, deren Geschäftsmodelle auf eben solchen Auswertungen basieren, könnten es in Zukunft schwerer haben. Wer jedoch hohe Sicherheitsmaßnahmen in der eigenen Hard- und Software in den Vordergrund stellt, könnte auf Dauer die Gunst der Kundinnen gewinnen. Denen geht es in erster Linie vermutlich nicht um Werbung, sondern um verlässlich geschützte Kommunikationsräume.

Derzeit sehe ich neben der Open-Source-Community – die aber keine mobilen Betriebssysteme und Geräte mit nennenswerter Verbreitung und Einfachheit zu bieten hat – nur Apple unter den großen Playern, die sich diese Entwicklungen zunutze machen. Eine komplette Umstellung der Geschäftsmodelle von Google oder Facebook erscheint auch eher unwahrscheinlich – unmöglich ist sie aber nicht. Auf Seiten der Browserfunktionen wird Firefox sicher nachziehen und bald ähnliche Einstellungen anbieten. Ob dies aber auch bei Google Chrome passieren wird, bleibt abzuwarten. Ein Unternehmen, das sich sein eigenes Business kaputt macht? Wohl eher nicht.

Dennoch: Ich halte Google immer noch für flexibel genug, auf den Markt zu reagieren und wünsche mir bei allen führenden Internetunternehmen die Erkenntnis, dass die meisten Technologie-Nutzerinnen vielelicht bald neue Prioritäten haben: Datenkontrolle, Verschlüsselung und Sicherheit. Die dann wichtiger sind als Werbung für die Schuhe, die man soeben gekauft hat. Und dass sie auch bereit sind, für eine solche Prioritätenveränderung zu bezahlen. Mit Geld – und nicht mehr mit ihren Daten.

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