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Warum die Space-Branche ein Redesign braucht

von Michael Förtsch
Braucht die Raumfahrt eine Stilberatung? Wenn es nach dem Designer Andrew Sloan geht, lautet die Antwort: Ja. Er hat eine Design-Agentur gegründet, die ausschließlich Weltraumunternehmen berät. Damit will er den Kosmos cool und verständlich machen. WIRED hat mit dem Weltraum-Gestalter gesprochen.

Spätestens seit der Ankündigung von SpaceX, bereits 2018 zwei Touristen zum Mond zu schicken und bald sogar zum Mars, ist klar: Die private Raumfahrt könnte bald richtig abheben. Etliche Unternehmen wollen sich in den kommenden Jahren und Jahrzehnten im Orbit der Erde und darüber hinaus tummeln. Mit Raketenstarts, Satelliten, privaten Raumstationen oder dem Abernten von Asteroiden möchten sie den Kosmos zum Geschäft und Fortschrittstreiber machen. Aber laut Designer Andrew Sloan geht vielen dieser spacigen Startups eines ab: der Stil.

Zu uniform, identitätslos und ohne Message kämen viele eigentlich faszinierende Unternehmen daher, sagt er. Andere würden mit ihren Logos in den 80ern feststecken. Vor einem Jahr hat der Grafiker und Gestalter aus Los Angeles mit Cosma Schema daher eine Design-Agentur gestartet, die allein Firmen und Institutionen betreuen will, deren Geschäft mit dem Kosmos zu tun hat. Darunter sind bislang die World Space Week Association der Vereinten Nationen, die von Bill Nye geleitete The Planetary Society, Agenturen für Weltraumrecht und einige mehr. Sloan tue das aber nicht nur, weil er ein gutes Geschäft wittert. Er sei selbst ein echter Space-Nerd, sagte er im Interview mit WIRED. Er wolle dabei sein, wenn sich der Weltraum der Menschheit öffnet.

WIRED: Die wichtigste Frage gleich vorweg: Star Wars oder Star Trek?
Andrew Sloan: Hundertprozentig Star Wars. Ich mag sogar die Prequels, was mich regelmäßig in Schwierigkeiten bringt.

WIRED: Das sagt ja schon viel über deine Stil-Vorlieben aus. Wie bist du auf die Idee gekommen, eine Design-Agentur für die Raumfahrt zu gründen?
Andrew Sloan: Ich bin schon mein ganzes Leben lang Designer – in der ein oder anderen Weise. Die letzten zehn Jahre zumindest professionell. Aber ich war eben auch schon immer ein Fan des Weltraums und von allem, was damit zu tun hat. Ich verfolge alle Nachrichten rund um das All und habe über die vergangenen Jahre ein gutes Verständnis der Konzepte entwickelt – von LEO zur kosmischen Hintergrundstrahlung und zurück. Vor einem Jahr fand ich mich dann an einem Punkt, wo ich mich fragte: Was will ich eigentlich wirklich machen? Werbung fand ich uninteressant, Produktdesign sprach mich nicht an. Daher dachte ich, ich kann meine Fähigkeiten dem widmen, was ich sowieso liebe – und das ästhetisch nun wirklich Nachhilfe braucht.


WIRED: Wann ging es bei dir los mit dem Space-Nerd sein?
Sloan: Eine meiner ersten wissentlichen „Weltraumerinnerung“ war der Vorbeiflug des Kometen Hale Bopp im Jahr 1997. Man konnte über Wochen sehen, wie er über den Nachthimmel zog. Das war der Moment, in dem mir klar wurde, dass der Raum um unsere Erde nichts statisch oder tot ist. Dinge fliegen herum, alles bewegt und verändert sich. Es gibt da viel zu entdecken. Ich entsinne mich auch, als Kind die Starts des Space Shuttles im Fernsehen oder Sternschnuppen am Himmel gesehen zu haben.

WIRED: Die Öffentlichkeit hatte die Aufmerksamkeit für das All lange Zeit verloren.
Sloan: Aber gerade kommt sie mit Energie wieder! Es ist wie eine Renaissance. Es gibt einen Überfluss an Ambitionen, himmelschreienden Zielen und neuer Technologie. Aber einige Fragen treiben mich bei dem Hype um: Wie können aus den Weltraum-Startups von heute echte und nachhaltige Firmen werden. Welche neuen Produkte und Dienste entstehen daraus? Wer werden die Kunden sein? Ich will dabei sein, wenn die Antworten kommen.

WIRED: Klingt, als wäre die Branche so spannend, dass sie keine Design-Agentur braucht.
Sloan: Das dachte ich auch über Jahre, aber dann habe ich mit einigen Leuten aus diesem Bereich über ihre Bedürfnisse gesprochen. Und da gab es durchaus Nachfrage. Bei Raumfahrtfirmen ist das ja nicht anders als bei anderen Unternehmen. Nur wenige machen sich einen Kopf darum, wie sie aussehen. Da komme ich ins Spiel. Diese Firmen können einige grundlegende Designkonzepte gebrauchen, die sie und ihre Angebote besser sichtbar machen.


WIRED: Es braucht also ein Corporate Design wie bei einem Startup oder einem Autohersteller?
Sloan: So in der Art, ja. Anfangs muss man sich fragen: Wie sollen sich die Kunden fühlen, wenn sie mit der Marke interagieren? Willst du, dass sich die Marke vertrauenswürdig anfühlt? Gewagt? Sexy? Oder vielleicht feminin und jung? Wenn man diese Fragen beantwortet, kann man damit beginnen, die Marke in eine Richtung zu entwickeln. Eine, die diese Reaktionen bei potentiellen Kunden auslöst. Solche Identitäten können für unterschiedliche Anbieter sehr verschieden sein. Ein Verkäufer von Cube-Satelliten braucht eine andere als ein Raketenhersteller oder eine Weltraum-Reiseanbieter.

WIRED: Welche Identitäten wollen deine Kunden denn annehmen?
Sloan: Ich arbeite beispielsweise mit einigen Firmen für Weltraumrecht. Ihre Marken sollen dazu tendieren, möglichst viele Menschen zu erreichen, um generell deren Interesse am All zu wecken. Das ist bei einer Raketenfirma ganz anders, die vor allem die Aufmerksamkeit von Geschäftskunden wie Satellitenfirmen oder Regierungsvertretern erhaschen möchte.

WIRED: Und das Interesse des Normalos auf der Straße?
Sloan: Für den versuche ich, den Weltraum „menschlicher“ zu gestalten. Dem All haftet der Schein des Dunklen, Mysteriösen und Gefährlichen an. Als sei es ein finsterer Ort, der dem Mensch verschlossen bleibt. Das ist aber nicht wahr.


WIRED: Na ja, ein bisschen düster ist es schon.
Sloan: Der Weltraum ist voller Farben! Angefangen bei den Wolken des Jupiter bis zu den Nebeln fremder Galaxien. Dank der Arbeit der privaten Raumfahrt muss man bald kein Astronaut mehr sein, um irgendwann ins All zu kommen. Je mehr Menschen sich mit dem Kosmos identifizieren, desto stärker wird die Industrie wachsen und umso schneller werden wir zur raumfahrenden Zivilisation. Die Firmen müssen anfangen, den Weltraum als etwas zu verkaufen, das zugänglich ist. Das gelingt auch durch clevere Designentscheidungen.

WIRED: Gibt es eine spezielle Firma, der du gerne ein Redesign verpassen würdest?
Sloan: Ich würde gerne, auf die ein oder andere Art, mit SpaceX arbeiten. Die machen einfach überwältigende Sachen. Ich wäre begeistert, näher an die Action zu kommen. Aber es ist auch so: Während sie in Sachen Kommunikation einen verdammt guten Job machen, könnten sie beim Grafikdesign etwas Unterstützung gebrauchen. Ansonsten arbeite ich derzeit gerne mit kleineren Unternehmen, um ihnen dabei zu helfen, irgendwann ganz groß zu werden.


WIRED: Dann erläutere doch mal die Elemente eines Designs. Was klappt gut, was nicht?
Sloan: Elemente, die immer passen, gibt es nicht. Es ist aber einfach und langweilig einen symbolischen Raketenschweif als Logo zu nehmen und den Namen daneben zu setzen. Das ist altbacken und klappte vielleicht früher. Jetzt gibt es einen großen Markt mit Konkurrenz und Differenzierungsbedarf. Ich kann jedem nur raten, soweit vom Raketenschweif Abstand zu halten wie möglich.WIRED: Kein Schweif, ist notiert.
Sloan: Die Farben Blau und Schwarz sollte man auch vermeiden, denn sie sind furchtbar überrepräsentiert. Wie gesagt, der Weltraum ist bunt, also lasst uns doch schauen, wie wir die vielen Farben auf kreative und kraftvolle Weise ausnutzen.

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WIRED: Woher ziehst du selbst deine Inspiration für die Designs? Mir würden sofort 2001: Odyssee im Weltraum oder die Sci-Fi-Zeichnungen von Malern wie Chris Foss einfallen.
Sloan: Ich fühle mich definitiv zu Sci-Fi-Illustrationen hingezogen. Ich versuche aber auch, mehrheitlich moderne Ästhetiken zu nutzten. Ich greife viele gegenwärtige Trends aus dem Webdesign auf, weil darin sehr fortschrittliche Gestaltungsansätze stattfinden. Wenn es mehr in Richtung Science-Fiction geht, dann schaue ich gerne zu Kilian Eng oder Simon Stålenhag rüber.

WIRED: Gerade ist private Raumfahrt auf einem richtigen Hoch. SpaceX scheint manchmal nur aus Marketing zu bestehen, jeder Raketenstart wird gefeiert. Google inszeniert seinen Lunar X-Prize mit viel Aufwand als internationalen Wettbewerb, JJ Abrams hat sogar eine Doku-Serie um die teilnehmenden Teams gedreht. Ist das der richtige Weg?
Sloan: Das alles ist fantastisch. Ich liebe die Dynamik, die sich da um das Thema Weltraum aufbaut und in die Popkultur überschwappt. Es gab in den vergangenen Jahren auch eine Tonne neuer, brillanter Weltraumfilmen und das scheint auch so weiterzugehen. Meiner Meinung nach: Je mehr, desto besser. Denn je mehr Menschen sich begeistern, desto größere Chancen haben wir, weiterzukommen.

WIRED: 2014 wurde der Flug der Raumsonde Rosetta aufwändig inszeniert, es gab jede Menge Clips, Videos und sogar eine Hymne. Die New-Horizons-Mission der NASA hatte einen eigenen Kurzfilm. Wird es nicht zu viel? Schadet das nicht der Glaubwürdigkeit?
Sloan: Nein, kein Stück! Ich liebe es, was die ESA bei Rosetta gemacht hat. Die haben ja auch diese Cartoon-Figuren geschaffen, haben die Mission für die Menschen verständlich erklärt und so gezeigt, worum es bei dem ganzen Thema geht. Selbst Kinder hatten so Zugang zum Thema. Die Simplifizierung hat die brillante wissenschaftliche Leistung dahinter kein Stück geschmälert.

WIRED: Was denkst du, was ist der nächste Schritt für die kommerzielle Raumfahrt.
Sloan: Ich würde es liebend gern sehen, wenn der echte Weltraumtourismus vorankommt. Ich will sehen, wie ganz normale Menschen mit Raketen ins All fliegen, zurückkommen und ihre Geschichten erzählen. Ich glaube, das könnte sehr inspirierend sein. Gerade sind wir an dem Punkt, an dem wir auf den nächsten technologischen Sprung hoffen und darüber rätseln, was daraus erwachsen könnte.

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