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Warum dominieren Frauen die Hightech-Sex-Branche?

von Cindy Michel
Frauen gründen immer mehr HighTech-Unternehmen in der Sex-Branche. Auch ihre Produkte sind auf die Bedürfnisse von Kundinnen zugeschnitten. Ist die Zukunft des Sex also weiblich? Darüber sprach WIRED mit Bryony Cole, Moderatorin eines der berühmtesten Sex-Podcasts der Welt.

Journalistin Bryony Cole hat eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wie Sex bald aussehen wird. Für ihre Podcast-Reihe Future Of Sex hat die Australierin mit mehr als 100 Menschen gesprochen – darunter Wissenschaftlerinnen, Hausmänner, Entwicklerinnen und Cyborgs – um herauszufinden, wie die Sexualität der Menschen sich verändern wird.

Und was fand sie dabei heraus? Während des Tech Open Air in Berlin hat WIRED mit Cole gesprochen. Sie sagt, der Wandel von einer männlich dominierten zu einer weiblich geführten Sex-Industrie habe bereits begonnen – überall dort nämlich, wo es um Technologie geht.  

WIRED: Geben Frauen auf dem Tech Open Air in Berlin in Sachen Sex den Ton an?
Bryony Cole: Absolut. Kennst du den Begriff Vagina-Nomics?

WIRED: Nein, klingt aber herablassend…
Cole: Ganz im Gegenteil! Der Begriff setzt sich aus Vagina und Economics zusammen. Er verdeutlicht, dass es mittlerweile eine riesige Palette an Produkten und Diensten von Frauen gibt, um ihre eigenen weiblichen sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen und ihre sexuelle Gesundheit zu fördern. 

WIRED: Braucht es dazu einen extra Begriff?
Cole: Meines Erachtens ist er notwendig, denn bisher haben sich viele Menschen schwer damit getan, über weibliche Sexualität oder Sexspielzeug für Frauen zu sprechen. Im besten Fall fehlte ihnen einfach nur die Begrifflichkeiten dafür.  

WIRED: Woher kommt diese plötzliche Entwicklung?
Cole: Der Wandel findet definitiv ganz unten statt, on grounds sozusagen – und das schon seit geraumer Zeit. Als ich etwa im vergangenen Jahr der Women of Sex-Tech Community in New York beigetreten bin, waren wir gerade mal 30 Frauen. Heute sind wir über 80. 

WIRED: Aber gab es einen konkreten Auslöser?
Cole: Die Zeit ist einfach reif dafür. Diese sich entwickelnde Führungsrolle der Frau fühlt sich aus kultureller Perspektive richtig an. Dieser Umschwung ist auch eine Reaktion auf das aktuelle politische Klima. Das hat sich nicht plötzlich entwickelt. Obwohl der Prozess langsam war, haben uns bahnbrechende Innovationen wie die Pille und die Legalisierung von Verhütungsmitteln Schritt für Schritt voran gebracht. 

WIRED: Was treibt den aktuellen Wandel an?
Cole: Technologie. Technologie ist und war eine große Stütze. Allein das Internet hat viel verändert. Plötzlich gab es diese weltweite Vernetzung, einen virtuellen Ort, an dem Frauen sich sicher genug fühlten, um mit anderen über Sex zu sprechen und um neue Ideen zu entwickeln – und diese letztlich auch zu produzieren.

WIRED: Und das wiederum hat sich dann auf die Industrie ausgewirkt? 
Cole: Einige wesentliche Veränderungen sieht man im Produktdesign. Die Produkte sind kundenorientierter, gehen viel mehr auf die Bedürfnisse der Kundin ein. Da merkt man, dass sie eben von Frauen für Frauen entwickelt wurden. Die kompromisslose Art, wie diese Produkte vermarktet und kommuniziert werden, ebnet den Weg für einen viel weitreichenderen kulturellen Wandel. Cindy Gallop, die beim TOA 2016 die Social-Sex-Revolution ausgerufen hat, sagt über Sex-Tech, dass Frauen die Macht hätten, hier etwas zu bewegen. Dass sie mit ihren Produkten und Ideen eine fast ausschließlich männlich geprägte und von der Pornoindustrie verbreitete Perspektive auf Sex verändern könnten – und ich stimme zu.  

WIRED: In deinem Podcast behauptest du, dass Technologie in Sachen Sex ihren eigenen Raum schafft – und zwar direkt zwischen „dem Sex mit anderen und dem Sex mit sich selbst“. Wie genau sieht dieses Dazwischen aus?
Cole: Um das zu verstehen, muss man Sex als Spektrum sehen. Am einen Ende steht der physische Sex mit anderen, am anderen Ende steht die Selbstbefriedigung. Und zwischen diesen beiden Polen existiert eben ein Bereich mit verschiedensten sexuellen Erfahrungen, die ohne Technologie nicht möglich wären. 

WIRED: Sex auf Distanz als Teil einer Fernbeziehung?
Cole: Genau, so meine ich das. Es gibt da sehr viele Möglichkeiten. Die Interaktivität von Teledildonics ist ein gutes Beispiel. Dieses Sexspielzeug, das man via Bluetooth oder WLAN steuert, kann räumlich getrennte Sexualpartner miteinander verbinden. Und natürlich nimmt auch Virtual Reality (VR) durch seine Immersion in diesem neu geschaffenen Raum viel Platz ein.

WIRED: Das hat ja nicht mehr gerade viel mit zwischenmenschlicher Nähe zu tun, oder?
Cole: Wir verwischen eben die Grenzen zwischen uns und anderen. Dort ist nicht klar definierbar, ob wir jetzt Solo-Sex haben oder vielleicht doch mit anderen, selbst wenn diese nicht physisch anwesend sind. Wir simulieren sozusagen Intimität mit anderen. Ich bin gespannt, wie sich das entwickelt, denn letztlich stellt sich ja die Frage: Sind wir beim Sex allein oder zusammen mit anderen Menschen? 

WIRED: Wird die normale Sex-Industrie also zunehmen in einer Sex-Tech-Industrie aufgehen?
Cole: Nicht ganz, die beiden unterscheiden sich schon, auch wenn sie zusammengehören. Im Gegensatz zur Sex-Industrie ist Sex-Tech eben nicht nur Porn. Denn Sex-Tech verbindet Sexualität mit Technologie – und Sexualität ist viel mehr als pures Entertainment. Mit Sex-Tech haben wir ganz andere Möglichkeiten, Probleme anzugehen, die wir mit unserer Sexualität oder in unserem Sexleben haben.

WIRED: Hast du ein Beispiel?
Cole: Da fällt mir etwa die VR-Kursreihe Virtual Sexology ein. Entwickelt von Sextherapeut Hernando Chaves richtet sie sich an Männer, die frühzeitigen Samenerguss haben. Sie soll ihnen helfen, diesen besser zu kontrollieren, um letztendlich bessere Liebhaber zu werden.

WIRED: Wird der Kurs angenommen?  
Cole: Im vergangenen Jahr war er der Nummer-1-Download auf BaDoinkVR, einer online-Plattform für VR-Pornos.

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WIRED: Die Website des selbsternannten Marktführers für VR-Porn bietet wirklich ein Therapieprogramm an?
Cole: Seit vergangenem Jahr ist das Unternehmen einer der Mover und Pioniere in Sachen VR-Sexualerziehung geworden. Diese Entwicklung ist total stimmig, wenn man überlegt, wie viele Menschen sich ihr ganzes gefährliches Halbwissen über Sex aus irgendwelchen Porno-Filmchen angeeignet haben. Da ergibt es doch Sinn, dass ein Anbieter für Pornografie auch gleich kontrollierten und guten Content in Sachen Sexualerziehung produziert und mit anbietet, die Kunden sind ja eh schon auf der Plattform.

WIRED: Gibt es solche Angebote auch für Frauen?
Cole: Ja, aber erst seit Kurzem. Die Sexualtherapeutin Holly Richmond hat Virtual Sexology II entwickelt. Damit sollen Frauen ihre Körper in der virtuellen Realität besser kennenlernen und herausfinden, was sie wirklich wollen.  

WIRED: Wenn wir über die Zukunft von Sex sprechen, dann dürfen Sex-Roboter nicht fehlen.
Cole: Oh ja, das stimmt. Der Zukunftsforscher Ian Pearson behauptet, dass bis zum Jahr 2045 jeder zehnte Jugendliche mit einem Roboter geschlafen haben wird. Wir sollten diese humanoiden Maschinen aber nicht nur auf Sex und Entertainment reduzieren. Es gibt viele verschiedene Gründe, warum sie für Menschen wichtig sind oder wichtig werden können. 

WIRED: Du meinst, dass man die Liebes-Maschinen auch für therapeutische Zwecke einsetzen könnte?
Cole: Vielleicht können sie in der Zukunft bei der Therapie von Opfern mit sexuellen Traumata helfen. Forschungen hierzu stehen allerdings noch am Anfang. Während die Therapeutin Michelle Mars die Roboter als die ultimativen Sex-Lehrer der Zukunft sieht, glaubt Arthur Caplan, Bio-Ethiker an der NYU, dass die Liebes-Maschinen für positive soziale Veränderung sorgen können.

WIRED: Aber es ist auch ein Feld, das schon jetzt moralische Fragen aufwirft. Etwa, ob man Pädophilie mit Kinder-Robotern behandeln darf?
Cole: Technologie kann noch so gut, noch so ausgeklügelt sein, aber es ist Aufgabe von uns Menschen, sie in die richtige Bahn zu lenken. Wir müssen recherchieren, uns die richtigen Fragen stellen, alles genau abwägen und forschen, wie man die intelligenten Sexpuppen am besten kreiert und dann effektiv einsetzt.

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