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Nach dem Women's March sagt Johnny Haeusler: Auf sie mit Gebrüll!

von Johnny Haeusler
Unser Kolumnist lässt sich diese Woche zur Euphorie hinreißen. Schuld daran ist der Women’s March am vergangenen Samstag.

Ich habe mittlerweile den Umstand akzeptiert, dass ich in einer politischen Dystopie lebe, gegen die es sich zu wehren gilt. Seit dem vergangenen Wochenende fällt mir beides leicht.

Keine Schonfrist für Lügner
Da war am Donnerstag zunächst der Amtsantritt von Donald Trump. Seine Rede, reich an widerlegbaren Behauptungen und geradezu alberner Kampf-Rhetorik, muss eigentlich all jene verstummen lassen, die „abwarten“ und „ihm eine Chance geben“ wollten. Mir jedenfalls waren die folgenden Stunden, in denen der neue Präsident der USA in erster Linie mit seinem Krieg gegen die Medien und erneut verkorksten Fakten beschäftigt war, genug des Abwartens. Eine Regierung, welche die Presse ernsthaft mit „alternativen Fakten“ konfrontiert, braucht keine Schonfrist.

Donald Trump und selbstverständlich auch seine Unterstützer*innen aus den rechtspopulistischen Parteien und Organisationen Europas und anderer Teile der Welt sind der Inbegriff all dessen, was ich ablehne. Menschlich, politisch, gesellschaftlich, stilistisch. Ich muss, kann und will nicht abwarten. Mir reicht es schon jetzt.

Es reicht
Und nicht nur mir, zum Glück. Denn - das war das Großartige an den letzten Tagen und es ist das, was ich mir in den kommenden Monaten und Jahren immer wieder vor Augen halten werde – die Massen, welche der Women’s March auf die Straßen der Welt brachte, könnten den Beginn einer neuen Bewegung gegen Hass, Bigotterie und Menschenfeindlichkeit markieren. Viele Stunden lang dominierten die Fotos und Tweets und Posts dieser Bewegung die sozialen Kanäle, zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte es sich an, als wären alle die, die man sonst zu einer stillen Mehrheit zählen könnte, mutiger und lauter geworden als Unsinn, Fake News und Hass. Das war nichts anderes als großartig, und ich bin bester Dinge, dass dieses Gefühl bestehen bleibt und dass die Bilder vom Women’s March im kollektiven Bewusstsein bleiben und weiter denjenigen Kraft geben, die bereits verzweifelt waren.

Man kann ob der schieren Menge der Teilnehmer*innen davon ausgehen, dass sich bei den Demos zum #womensmarch Menschen unterschiedlichster politischer Richtungen versammelt haben, die sich vielleicht nur in ihrer Ablehnung von Typen wie Trump einig sind. Aber das genügt ja. Über verschiedene Meinungen kann man schließlich reden. Über Menschenfeindlichkeit und Lügen aber gibt es nichts zu diskutieren.

Die Suche nach Wahrheit ist nicht geschlagen
Die Strategie der Trump-Administration und anderer Populisten, Unwahrheiten so lange zu wiederholen, bis sie wenigstens Teil einer Debatte geworden sind, wird nicht aufgehen. Der Women’s March, aber auch die zahlreichen Reaktionen der Medien auf diese ersten Trump-Tage haben gezeigt, dass Vernunft, Menschlichkeit, Klugheit und die Suche nach der Wahrheit nicht geschlagen sind.

Lange Zeit habe ich mich dagegen gewehrt, in einen Kampf zu ziehen, der mir auferzwungen wird und den in erster Linie andere auf der Basis von herbeifabulierten Behauptungen führen wollen. Ich habe den Online-Irrsinn von Trump weitgehend mit Missachtung bestraft und die armseligen Trump-Kopie-Versuche der AfD nicht mit Retweets aufgewertet. Ich habe versucht, mich bei der Verbreitung von Vermutungen und Halbwahrheiten zurückzuhalten, und ich glaube, sehr viele Menschen haben ähnlich gedacht und gehandelt: Lass die Spinner Spinner sein, don’t feed the trolls.

Noch immer bin ich zwar davon überzeugt, dass die Aufmerksamkeit, die man dem Unsinn gibt, ihn überhaupt erst salonfähig machen kann. Doch ich muss auch erkennen, dass man einen US-Präsidenten wie Trump nebst Gefolgschaft oder Menschen wie Wilders, Petry, Le Pen und wie sie alle heißen leider nicht wegignorieren kann. Sie dürsten nach der Konfrontation, nach dem „Kampf“, wie sie es so gerne nennen, weil sie sich in ihrer von Horrormärchen geprägten Welt einer mehrheitlichen Gefolgschaft sicher sind.

Schluss mit Stille
Der Women’s March und seine Echos in den sozialen und klassischen Medien aber haben gezeigt: Sie irren sich gewaltig. Es sind Millionen von Menschen auf die Straßen gegangen, die keine weiteren Demagogen, Kriegstreiber, Nationalisten, Rechtspopulisten und Lügner ertragen wollen.
Vielleicht waren diese Menschen zu lange zu still, doch am letztem Freitag war damit Schluss. Hoffentlich für immer. Wenn es gelingt, den Schwung des Women’s March am vergangenen Freitag aufrechtzuerhalten und den friedlichen, kreativen, aber bestimmten und selbstbewussten Protest auch online weiterzuführen, wenn sich Menschen auch in den digitalen Welten gegenseitig unterstützen und zusammenhalten … dann wird es keine „four more years“ für Trump geben und das siegessischere Gebrüll der Populisten wird wieder verstummen.

Wir müssen nur lauter sein: Auf sie mit Gebrüll!

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