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In der Schweiz wurde ein Bot für seine Drogen-Einkäufe verhaftet

von Sonja Peteranderl
Die Schweizer !Mediengruppe Bitnik ließ ein Computerprogramm für eine Kunstaktion im Darknet shoppen, dabei kaufte der Bot auch Ecstasy-Pillen. Jetzt hat die Polizei das Werk einkassiert. Die Aktion wirft interessante Fragen auf — über die Kunstfreiheit und unsere Verantwortung für Technologie.

Drei Monate lang hatte der „Random Darknet Shopper“ unbehelligt auf Schwarzmarktplattformen wie Agora eingekauft und jede Woche nach dem Zufallsprinzip ein neues Objekt bestellt, etwa einen gefälschten ungarischen Pass, Schlüssel oder Drogen. Per Post wurden die Waren dann direkt in die Kunst Halle St. Gallen geschickt, um Teil der Ausstellung „The Darknet – From Memes to Onionland“ zu werden, die bis zum 11. Januar lief. „Wir haben gedacht, dass unsere Arbeit abgeschlossen ist mit dem Ende der Ausstellung am Sonntag“, sagt Carmen Weisskopf von der !Mediengruppe Bitnik. „Aber wir wurden gleich am Montagmorgen eines Besseren belehrt.“

Der Staatsanwalt schaute bei der Kunst Halle vorbei und suchte nach Drogen.

Die Exponate waren schon zum Abtransport verpackt, als die Ermittler kamen: „Ein Beamter und ein Staatsanwalt haben bei der Kunst Halle vorbeigeschaut und nach den Drogen gesucht“, erzählt ihr Künstlerkollege Domagoj Smoljo. Da die Mitarbeiter der Kunst Halle sich weigerten, die eingeschweißten Pakete aufzuschneiden, wurden alle Werke beschlagnahmt. Jetzt muss das Duo abwarten, was mit ihrem Kunstwerk passiert — und ob sie die Exponate zurückbekommen.

Vor allem ein Tütchen voller Ecstasy-Tabletten stellt nun auf die Probe, was Kunst in der Schweiz alles darf — und wo das Verbrechen beginnt. Für umgerechnet 48 Dollar hatte der Bot zehn gelbe Pillen mit Twitter-Logo bestellt. „Jetzt geht es darum, was Kunstfreiheit bedeutet“, sagt Smoljo. „Wir haben die Drogen ja nicht für den persönlichen Konsum gekauft oder um sie weiterzuververkaufen.“

Wer ist für die Aktionen einen automatisch handelnden Roboters verantwortlich?

Mit ihrem Darknet-Experiment wollte die !Mediengruppe Bitnik erforschen, wie das Darknet funktioniert, wie in einem anonymen Netzwerk Vertrauen hergestellt wird und welche neuen Fragen sich eine digitale Gesellschaft stellen muss, wenn sich jeder jederzeit im Netz illegale Waren bestellen kann — selbst ein Bot. Mit der Beschlagnahmung stellt sich außerdem die Frage, wer für die Aktionen einen automatisch handelnden Roboters verantwortlich ist.

„Ich würde jetzt nicht sagen, dass die Staatsanwaltschaft uns einen Gefallen tut, indem sie unsere Arbeit beschlagnahmt“, sagt Carmen Weisskopf. „Aber es ist schon so, dass die Fragen, die wir mit unserer Arbeit aufgeworfen haben, nun nochmal in einem anderen Feld, nämlich rechtlich, besprochen werden müssen.“ Das Künstlerduo war sich bewusst, dass Darknet-Shopping rechtlich umstritten ist, sie hatten deshalb zu Beginn des Projekts ein Rechtsgutachten erstellen lassen. Der zuständige Experte war der Meinung,  dass die Kunstfreiheit den Rechtsbruch aufwiegen könne, weil das Projekt zeitlich begrenzt und von öffentlichem Interesse sei.

Die Ermittler haben aktuell allerdings eine andere Sicht: Drogen müssten aus dem Verkehr gezogen werden, um niemanden zu gefährden. „Die Argumentation der Staatsanwalt ist, dass die Verhinderung einer Drittgefährdung durch die Drogen höher zu gewichten ist als jede Kunstfreiheit“, so Smoljo. „Das erscheint uns nicht unlogisch, aber dafür sind sie dann auch zu spät gekommen — die Ausstellung war ja schon vorbei.“

Nun wird wohl erst einmal getestet, ob es sich bei den bestellten Pillen tatsächlich um Ecstasy handelt. „Was da drin ist, wissen wir immer noch nicht“, sagt Smoljo. „Wovon wir aber überzeugt sind: Dass die Drogen echt sind — weil sie und der Verkäufer im Darknet eine gute Bewertung hatten.“ 

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