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Alle mal hersehen! Wie Amazon und Spotify Jagd auf YouTube machen

von Karsten Lemm
Der Erfolg von YouTube fordert die Konkurrenz heraus: Jetzt bietet auch Amazon Amateuren an, Videos ins Netz zu stellen, Spotify versucht sich vermehrt an Eigenproduktionen und Vimeo setzt auf Profi-Inhalte. Haben sie Chancen, die Nummer eins einzuholen?

Auf Langeweile ist Verlass. So schnell sich alles andere ändern mag – Langeweile bleibt, und mit ihr die Suche nach Zerstreuung. Keiner profitiert davon mehr als YouTube: Ob Adele mit Carpool-Kararoke mehr als 100 Millionen Zuschauer anzieht oder 722 Millionen Menschen das Auspacken von Überraschungseiern verfolgen – jeder Klick bringt Werbegelder, Jahr für Jahr ein paar Milliarden mehr.

Und je erfolgreicher die Google-Tochter wird, um so weniger Augen-Blicke bleiben für andere übrig. Deshalb startet nun auch Amazon eine Video-Plattform, an der sich jeder beteiligen kann. Nominell ist Amazon Video Direct (AVD) zwar vornehmlich für professionelle Anbieter gedacht, in der Praxis verlangt Amazon aber lediglich, dass Videos, die hochgeladen werden, technischen Minimal-Ansprüchen genügen: Sie müssen in HD-Qualität vorliegen und Untertitel besitzen.

Das Anschauen ist für Amazon Prime-Mitglieder gratis. Alle anderen können Videos ausleihen oder als Download kaufen, ähnlich wie bei Hollywood-Produktionen. In den USA will Amazon zusätzlich Werbung schalten. In allen Fällen verspricht der Online-Händler den Machern eine Beteiligung an den Einnahmen. Als zusätzlichen Anreiz zum Mitmachen hat Amazon das AVD-Stars-Programm geschaffen: Monatlich soll ein Bonus von einer Million Dollar unter den Produzenten der 100 erfolgreichsten Titel aufgeteilt werden.

„Für Amazon sind Videos ein Mittel zum Zweck, um mehr Nutzer zu gewinnen“, erklärt Tim Mulligan, Analyst beim auf Digitalmedien spezialisierten Marktforscher Midia Research. Die Hoffnung dahinter: Wer sich mit Amazon Prime die Zeit vertreibt, kauft vielleicht im nächsten Schritt noch etwas ein. YouTube dagegen funktioniert in erster Linie wie ein klassischer, werbefinanzierter Fernsehsender – auch wenn der Onlinevideo-Pionier neuerdings versucht, mit YouTube Red ein Abo-Geschäft für Premium-Inhalte aufzubauen.

Wie viel Geld die Video-Plattform einspielt, verrät Google nicht. Analysten schätzen, dass die Einnahmen im vorigen Jahr bei etwa neun Milliarden Dollar lagen, von denen YouTube gut die Hälfte an die Filmemacher ausgeschüttet hat. Zu den profitabelsten Inhalten gehören Kanäle von YouTube-Eigengewächsen wie LeFloid oder Ytitty, aber auch Musikvideos von Stars wie Taylor Swift, die bisweilen mehr als eine Milliarde Mal abgerufen werden.

Oft spielt die Musik dabei einfach im Hintergrund, und YouTube wird zur digitalen Jukebox. Das fordert Spotify heraus: Um Abonnenten zu locken, wollen die Schweden künftig verstärkt auf Videos setzen – zunächst Dokumentationen und Reality-TV-Sendungen aus der Musikbranche, später auch Comedy- und Animationsfilme. „Unser Publikum will mehr von uns“, erklärt Spotify-Manager Tom Calderone gegenüber Bloomberg. „Nutzer sollten wissen, dass sie auch für andere Dinge als Playlisten zu uns kommen können.“

Für Midia-Analyst Tim Mulligan ist der Schritt ein Zeichen, dass Musik allein nicht mehr reicht, um ein zahlendes Publikum zu finden: „Digitalkundige werden mit Inhalten regelrecht bombardiert.“ Wer herausstechen will, „muss Geschichten erzählen“, sagt Mulligan. Die Video-Strategie helfe Spotify auch dabei, die Nutzer aktiv zu halten. „Mini-Serien geben Leuten einen Grund, immer wieder zu kommen.“

Während die Entertainment-Welten zusammenwachsen, spekuliert der YouTube-Rivale Vimeo darauf, dass sich für Qualitätsinhalte mehr und mehr das Bezahlmodell durchsetzen wird. Vor wenigen Tagen schluckte der New Yorker Videodienst die Streaming-Plattform VHX, die unter anderem von Medienkonzernen wie Vice und Comedy Central genutzt wird, um Filme ins Netz zu stellen. Durch den Kauf besitze Vimeo nun „ein komplettes Streaming-Ökosystem für einzelne Kreative, Nischenanbieter und große Medienpartner“, die eigene Abo-Kanäle anbieten wollten, erklärt die Firma.

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Als Plattform, die sich vor allem an Profis wendet, verlangt Vimeo schon lange Geld fürs Hochladen von Videos – und bleibt entsprechend mit 280 Millionen Nutzern weit hinter YouTube zurück. Die Google-Tochter kommt nach eigenen Angaben auf mehr als eine Milliarde Nutzer im Monat, die immer mehr und immer länger schauen: In den vergangenen drei Jahren ist die Sehdauer auf YouTube jeweils um mehr als 50 Prozent gestiegen. Die durchschnittliche Session liegt auf Mobilgeräten mittlerweile bei über 40 Minuten. Das steht im Kontrast zum Fernsehen: Dort stagniert die Sehdauer seit Jahren, in Deutschland bei etwa dreieinhalb Stunden am Tag.

„Wir sehen einen massiven Wandel der Sehgewohnheiten“, sagt Tim Mulligan. Der Umstieg von PCs auf Handys habe den Internetvideo-Boom noch beschleunigt: „Der Blick aufs Smartphone wird zur Alternative für den Blick aus dem Busfenster“, sagt der Analyst, und für viele, die digital aufgewachsen sind, sei YouTube „zur ersten Anlaufstelle geworden“. Als Teil von Google habe der Onlinevideo-Pionier ohnehin „einen enormen Reichweitenvorteil“ gegenüber seinen Konkurrenten.

Kaum einer zweifelt denn auch daran, dass YouTube noch über Jahre hinweg weiter wachsen kann. Die Investmentbank UBS wagt in einem aktuellen Report die Vorhersage, dass sich Werbegeschäft rund um niesende Pandas und rappende Superstars bis 2020 verdreifachen wird: Mit gut 27 Milliarden Dollar an Einnahmen soll YouTube dann für knapp ein Viertel aller Google-Umsätze verantwortlich sein.

+++ Mehr über die Stars der deutschen Webvideo-Szene? 2014 waren wir „Inside YouTube“ +++ 

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