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Das bizarre Rennen um den Hyperloop

von Oliver Franklin-Wallis
Ein italienischer Rapper, ein Galgenstrick und 250 Millionen Dollar Schadensersatz: Das sind die Zutaten der chaotischen Geschichte von Elon Musks Hyperloop. Vier Monate lang hat WIRED UK bei den beiden Firmen nachgeforscht, die sich einen Wettlauf darum liefern, die Vision des Tesla-Gründers zu verwirklichen. Dies sind die Ergebnisse der exklusiven Recherchen.

Im Jahr 2013 ärgerte sich Elon Musk über die 68 Millionen Dollar, die Kaliforniens Hochgeschwindigkeits-Bahnprojekt kosten sollte – und schlug eine Alternative vor. Er nannte sie den Hyperloop: Frei schwebende Kapseln würden mit Beinahe-Schallgeschwindigkeit durch Fast-Vakuumröhren reisen. Nach seinen Berechnungen würde der Hyperloop von Los Angeles nach San Francisco nur 36 Minuten brauchen und weniger als sechs Milliarden Dollar kosten – ein Zehntel der Kosten. Musk verkündete, der Hyperloop sei „die einzige Option für superschnelles Reisen“.

Und weil Musk nun mal Musk ist, flippte das Internet aus. Befürworter argumentierten, Hyperloop-Strecken könnten die Wirtschaft in einer Art und Weise verändern, wie wir es seit der Erfindung der Luftfahrt nicht mehr gesehen haben, indem sie weit verstreute Städte in Haltestellen auf einem kontinentalen U-Bahn-Plan verwandeln. Andere hielten die Idee für eine Science-Fiction-Fantasie. So oder so, Musk erklärte, er sei mit seinen Firmen SpaceX und Tesla viel zu beschäftigt, um den Hyperloop selbst zu bauen. Stattdessen lud er jeden, der ambitioniert genug ist, ein, es zu versuchen.

Heute versuchen zwei Startups, Hyperloop One und Hyperloop Transportation Technologies (HTT), die Ersten zu sein. Zusammen beschäftigen sie hunderte Ingenieure und haben Venture-Kapital in Millionenhöhe eingesammelt. Sie haben sich mit Regierungschefs getroffen, Verträge mit Staaten geschlossen und sich mit Tech-Firmen verbündet. Vor einigen Monaten machte sich WIRED daran, ihre Fortschritte zu dokumentieren.

Es lief anders als erwartet.

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An einem wolkenlosen Morgen im Mai fährt ein Konvoi von Reisebussen hinaus zu einer Testanlage, die dem Transport-Startup Hyperloop One gehört. Die beeindruckend große, eingezäunte Ansammlung von flachen Containerbauten liegt weniger als eine Stunde Fahrt nördlich von Las Vegas im US-Bundesstaat Nevada. Kampfflugzeuge nutzen die Thermik über der Wüste, um höher zu steigen. Weiß angestrichene Stahlrohre liegen im Staub. Nebenan glitzert eine Solar-Farm im Sonnenschein.

Als sich die Busse nähern und Staubwolken aufwirbeln, erwacht das Gelände zum Leben. Musik schmettert aus Lautsprechern, auf Riesenbildschirmen erscheint das Firmenlogo (das Startup, das vorher Hyperloop Technologies hieß, hat sich in der Nacht zuvor umbenannt). Die Passagiere – mehr als 100 Journalisten, Investoren und Würdenträger – steigen aus und begeben sich auf eine eigens für diesen Tag aufgestellte Beobachtungsplattform. Das Event fühlt sich an wie ein Rockkonzert, doch in Wahrheit hat sich das Publikum hier versammelt, um einen Test des Schubsystems zu sehen, das das Hyperloop-Design der Firma antreiben soll. Von der Plattform aus kann man eine Erhöhung sehen, auf der 300 Meter Stahlschienen liegen. Am einen Ende wartet ein Metallschlitten voller Sensoren und Kameras. Unter ihm schlängeln sich dicke Kabel zu Magneten, die ihn vorwärts treiben sollen.

Auf der Bühne begrüßt Shervin Pishevar, Mitgründer und Vorstandsvorsitzender von Hyperloop One, die Zuschauer, darunter Vertreter der Engineering-Giganten ARUP und AECOM und der Architekt Bjarne Ingels. Pishevar zitiert Teddy Roosevelt („Es ist nicht der Kritiker, der zählt… Der Ruhm gebührt dem Mann, der tatsächlich in der Arena steht.“), bevor er Hyperloop Ones „Kitty Hawk Moment“ ankündigt. Jenes Datum in der Zukunft, benannt nach dem ersten Flug der Gebrüder Wright, von dem die Firma sagt, dass sie dann ihren ersten voll funktionsfähigen Hyperloop vorstellen wird.

Doch hinter den Kulissen kündigt sich Ärger an. Unbemerkt vom Publikum haben die Generatoren, die die Energie für den Test liefern sollen, wenige Minuten zuvor versagt. (Vor lauter Lampenfieber, wird Hyperloop One später vermuten, hat ein Ingenieur sie zu früh eingeschaltet, wodurch sie überhitzt sind.) Nun ist der erste Antriebstest in Gefahr.

Auf der Bühne übernimmt derweil Brogan BamBrogan, zweiter Co-Gründer und Technologiechef des Startups. Während der schnurrbärtige ehemalige SpaceX-Raketeningenieur versucht, Zeit zu schinden, arbeitet sein Team hinter den Kulissen an einer schnellen Lösung des Energieproblems. Eilig schreiben sie neue Parameter, um den Test mit nur einem Generator durchzuführen. So würde zwar nicht die geplante Geschwindigkeit erreicht, aber zumindest die Präsentation gerettet. Das öffentliche Scheitern eines so grundlegenden Teils seiner Technologie wäre verheerend für das junge Startup.

Als die Notlösung bereitsteht, gibt BamBrogan das Signal an den Kontrollraum. Nach einem dramatischen Zehn-Sekunden-Countdown startet der Elektromotor. Es funktioniert: Der Schlitten schießt mit 186 km/h die Strecke hinunter in einen Sandhaufen (wie ein Großteil der Hyperloop-Technologie sind auch die Bremsen noch nicht ganz perfekt). Im Kontrollraum fallen sich die Ingenieure in die Arme, das Publikum jubelt und applaudiert. „Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass all das mit Absicht passiert ist“, sagt BamBrogan. Die technischen Probleme bleiben unerwähnt.

In der Ferne erstrecken sich Telefonmasten bis ins Gestrüpp, Markierungen für die Hyperloop-Teststrecke „Devloop“ die die Firma für Anfang 2017 plant. Obwohl die erste kommerzielle Strecke noch nicht feststeht, hofft Hyperloop One laut BamBrogan, ab 2019 Güter und ab 2021 Menschen transportieren zu können. Der Test macht weltweit Schlagzeilen. Der Hyperloop, so scheint es, ist nicht nur real – er ist fast schon hier.

Doch die Generatoren sind nicht das Einzige, das bei Hyperloop One versagt hat. Nur Wochen später wird BamBrogan zurücktreten und seine beiden Co-Gründer in einen 250-Millionen-Dollar-Rechtsstreit verwickeln.

Doch vorerst, an diesem Maitag in der Wüste von Nevada, legen die drei einander die Arme um die Schultern und lächeln für die Kameras.

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Shervin Pishevar wurde Anfang der 70er Jahre im Iran geboren. Als er sechs Jahre alt war, floh seine Familie vor der Revolution und dem drohenden Iran-Irak-Krieg nach Washington DC. Sein Vater fand Arbeit als Taxifahrer (die Inspiration für sein späteres Investment in Uber, sagt Pishevar), seine Mutter kümmerte sich um den Haushalt. „Ich sah sie wirklich hart arbeiten“, erinnert sich Pishevar. Nach seinem Abschluss an der Universität Berkeley gründete er eine Reihe von Internet-Startups. 2011 verkaufte er eines von ihnen, Webs.com, für 117,5 Millionen Dollar an Vistaprint und wurde zum Investor. Er ging zu Menlo Ventures – wo er an High-Profile-Investments in Tumblr, Warby Parker und Uber beteiligt war –, bevor er seine eigene Firma Sherpa Capital gründete.

Im Silicon Valley hat Pishevar einen Ruf als Netzwerker und Salonlöwe. Oft postet er Partyfotos mit Prominenten: Miley Cyrus, Justin Bieber, er und Uber-CEO Travis Kalanick mit Kanye West. Auch für das Teilen eigener Gedichte ist er bekannt. „Er kann jedem eine Umarmung abringen, sofort“, sagt BamBrogan. „So leitet er jede Begegnung ein.“ Pishevar engagiert sich auch politisch: Er ist registrierter Demokrat und sitzt im Aufsichtsrat des Fulbright-Stipendiums. Als George und Amal Clooney jüngst eine private 353.000-Dollar-pro-Paar-Spendensammlung für Hillary Clinton veranstalteten, fand das in Pishevars Haus in San Francisco statt.

Ein Freund, der ähnliche politische Ansichten und finanzielle Mittel hat wie der Mitgründer von Hyperloop One, ist der Schauspieler Sean Penn. 2011 flogen die beiden nach Ägypten und wurden Zeugen der Proteste auf dem Tahrir-Platz. Während des libyschen Bürgerkriegs trafen sie in Bengasi Rebellen, die die Stadt befreit hatten. „Das war während der Bombenangriffe auf Sirte“, erzählt Pishevar. „Wir mussten den NATO-General davon überzeugen, uns einfliegen zu lassen, weil alle kommerziellen Flüge gestrichen waren.“ Einer der Kämpfer schenkte Pishevar eine Armband mit der libyschen Flagge, das er später im Weißen Haus Präsident Obama übergab.

Es war diese Geschichte, die einen weiteren Freund – Elon Musk – davon überzeugte, sich den beiden 2013 auf einer Reise nach Kuba anzuschließen (Musk wollte das für diesen Artikel nicht kommentieren). Die drei hofften, über die Freilassung eines amerikanischen Gefangenen verhandeln zu können. In Musks Privatjet, auf dem Weg nach Kuba, diskutierten sie zum ersten Mal über den Hyperloop. „Er sagte: Weißt du, ich habe so viel damit zu tun, zum Mars zu fliegen, Tesla zu leiten und fünf Jungs aufzuziehen – ich glaube, ich mache das Ganze einfach Open Source“, erzählt Pishevar. Er, der Musk wie so viele in der Tech-Industrie bewundert, meldete sich freiwillig und drängte den Unternehmer, seine Pläne öffentlich zu machen.

Im August 2013 stellte Musk seinen Vorschlag in einem Weißbuch vor. Der Hyperloop sei eine Stahlröhre, schrieb er, aus der ein Großteil der Luft abgesaugt würde. Durch den so reduzierten Luftwiderstand könnten von Elektromotoren angetriebene Passagierkapseln über 1200 km/h schnell fahren. Die verbleibende Luft werde unter den Kapseln komprimiert, wie bei einem umgedrehten Airhockey-Tisch, um sie in der Röhre schweben zu lassen. Die Energie käme von Solarpanelen und weil sie so leicht sei, könnte die Konstruktion auf Masten entlang von schon existierende Highways montiert werden, was die Landkosten reduziere.

Schnell verkündeten Zeitungen, der Hyperloop werde die Kluft zwischen Regionen schließen. Andere schrieben, er werde die Wirtschaft revolutionieren, weil Waren nun innerhalb von Stunden über Kontinente transportiert werden könnten. Und wieder andere waren skeptisch. „Es gibt ein mathematisches Konzept, das man ‚Zuviel beweisen wollen‘ nennt“, sagt der Transport-Blogger Alon Levy, der seinerzeit einen vielzitierten Post schrieb, in dem er Musks Kostenvorstellungen widersprach. „Es ist eine derart sinnlose Idee, dass sie es nicht wert ist, gedruckt zu werden oder auch nur darüber zu reden“, sagt Rod Smith, Professor für Ingenieurwesen am Imperial College in London, gegenüber WIRED.

Allgemein waren die Experten aber vorsichtig optimistisch. „Ich habe seinen Berechnungen nicht zugestimmt, aber mittlerweile stehe ich seiner Idee näher, als ich dachte“, sagt John Miles, Ingenieur bei ARUP und Professor an der Universität Cambridge, der Hyperloop One berät. Der Hyperloop schien also machbar. Pishevar musste nur noch einen Ingenieur finden, der ihn baut.

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Während Pishevar suchte, startete ein weiterer Unternehmer ins Rennen um den Hyperloop: Dirk Ahlborn, ein Mann der klaren Worte aus Deutschland, mit dunkler Haartolle und einem Kinn wie Mr. Incredible. Er arbeitete in Italien im Pelletofen- und Grillgeschäft, bevor er nach Los Angeles zog, um für das Girvan Institute zu arbeiten, einen Nonprofit-Business-Inkubator, der früher einmal von der NASA finanziert wurde und zu dieser Zeit laut Ahlborn „ein bisschen zu kämpfen hatte“. Der Deutsche hatte die Idee für einen neuen Online-Only-Inkubator: Die Seite namens JumpStartFund sollte es Einzelpersonen ermöglichen, Geschäftsideen vorzuschlagen, in die die Crowd dann Zeit und Geld investieren konnte. Ahlborn arbeitete in Teilzeit als Uber-Fahrer, während er an dem Projekt arbeitete.

Als Musk sein Papier veröffentlichte, stellte Ahlborn es auf seine Website. Hunderte Hyperloop-Gläubige meldeten sich, sie teilten Kapsel-Designs in Foren und auf Facebook, diskutierten die physikalischen Voraussetzungen und schlugen potenzielle Strecken vor. Aus dieser Gruppe machte Ahlborn ein Unternehmen: Hyperloop Transportation Technologies (HTT).

Wir erkannten, dass wir eine Bewegung aufbauen mussten, keine Firma

Dirk Ahlborn, Gründer von HTT

Ihm schloss sich ein italienischer Unternehmer und Investor an, der sich Bibop Gresta nennt (sein echter Vorname ist Gabriele). Gresta ist ein überschwänglicher Showman mit Tony-Stark-Bart und dem rhythmischen Lachen eines Muppets. In seiner Jugend versuchte er sich als Rapper und tourte zwischenzeitlich mit der bekannten italienischen Tanzgruppe Mato Grosso. Außerdem hatte er eine kurze TV-Karriere als Moderator bei MTV, wo sich Kollegen daran erinnern, dass er auf Rollerblades durchs Büro fuhr, bevor er sich den Startups zuwandte. Gresta und Ahlborn trafen sich auf einem Tech-Event in Los Angeles, wo der Deutsche seine Idee vorstellte. „Ich sagte: Du bist komplett verrückt, auch nur darüber nachzudenken“, erinnert sich Gresta, heute COO, Vorstand und „Chief Bibop Officer“ von HTT. „Das wird die Menschheit verändern, wenn du es gut machst“, habe er zu Ahlborn gesagt. „Aber du brauchst meine Hilfe.“

Mittlerweile prahlt das Unternehmen mit seinen mehr als 400 Freiwilligen, darunter Ingenieure der NASA, von SpaceX und Boeing. Anders als bei den meisten Startups werden die HTT-Mitarbeiter nicht bezahlt, sondern widmen mindestens zehn Stunden pro Woche dem Projekt (Materialien vorschlagen, Simulationen bauen, Marketingbroschüren entwerfen), im Gegenzug für Aktienoptionen. Nach der Gründung reisten Ahlborn und Gresta um die Welt und pitchten ihre Vision: Deutschland, Slowakei, Dubai. Diverse Firmen konnten als Partner gewonnen werden, boten Patente an oder schlugen Herstellungsverfahren vor. „Das Ganze ist groß genug und verrückt genug, um eine machbare Lösung zu sein“, sagt Lloyd Marino, einer der Freiwilligen.

Ahlborn drückt es etwas anders aus: „Wir erkannten, dass wir eine Bewegung aufbauen mussten, keine Firma.“

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Pishevar fand seinen Ingenieur bei SpaceX: Kevin Brogan. (BamBrogan und seine Frau Bambi Liu ließen ihre Namen bei der Heirat verschmelzen, seit 2013 heißen sie Brogan und Bambi BamBrogan.) Der gesellige Burning-Man-Fan aus Michigan hat die Falcon-1-Rakete und die Dragon-Kapsel des Raumfahrtunternehmens mitentworfen. „Ein brillianter Kerl“, sagen ehemalige SpaceX-Kollegen, wenn auch „ein bisschen exzentrisch“. Er flog nach San Francisco, wo Pishevar seine Idee vorstellte: BamBrogan würde die Technologie bauen, er selbst sich um das Geld kümmern. Sie nannten das Startup Hyperloop Technologies und schlugen in BamBrogans Garage in Los Feliz ihr Hauptquartier auf.

Der Ex-SpaceX-Mann wandte sich kurz darauf an seinen Freund und früheren Kollegen Josh Giegel, der damals für Virgin Galactic arbeitete. Pishevar nutzte derweil seine Beziehungen um eine Series-A-Finanzierung über acht Millionen Dollar an Land zu ziehen und ein hochkarätiges Vorstands-Team zusammenzustellen. Darin etwa Jim Messina, ehemals Vize-Stabschef im Weißen Haus, XPRIZE-Gründer Peter Diamandis und Emily White von Snapchat. Joe Lonsdale, Investor und Mitgründer des Big-Data-Unternehmens Palantir, wurde stellvertretender Vorstandsvorsitzender. Bei einer Privataudienz im Weißen Haus stellte Pishevar seine Idee Präsident Obama vor.

Etwa zu dieser Zeit starben Pishevars 18-jähriger Neffe Abraham und drei seiner College-Freunde bei einem Flugzeugabsturz. Afshin Pishevar, Abrahams Vater, war außer sich vor Trauer. „Es fühlte sich an, als würde ich meinen Bruder verlieren“, erinnert sich Shervin Pishevar. Er ermutigte Afshin, damals Anwalt in Maryland, zu ihm an die Westküste zu ziehen und für Hyperloop One zu arbeiten. „Er dachte, das könnte Abrahams Vermächtnis werden“, sagt Pishevar. Er fragte BamBrogan, ob sein Bruder bei ihm in L.A. wohnen könne. Als die BamBrogans über Weihnachten Freunde besuchten, zog Afshin in ihr Gästezimmer.

Das Unternehmen verlegte seine Zentrale in eine alte Fabrikhalle und begann mit der Konstruktion, ganz nach dem Motto, das Elon Musk bei SpaceX predigte: „Baue schnell, teste schneller.“ Pishevar blieb derweil in San Francisco bei seiner Venture-Capital-Firma. Für Hyperloop heuerte er Rob Lloyd als CEO an, einen ehemaligen Cisco-Manager aus Kanada. Sein Pitch, per Textnachricht, war typisch Pishevar: „Komm und verändere die Welt mit mir.“

Doch von Anfang an gab es Ärger. BamBrogan und Afshin arbeiteten nicht gut zusammen. Während BamBrogan unter den Ingenieuren beliebt war, fühlten sich andere von ihm eingeschüchtert, fanden ihn leicht reizbar. Meetings verwandelten sich bisweilen in Schreiwettkämpfe. Bei Pishevar hatten manche wiederum das Gefühl, er nehme sein Unternehmen nicht ernst. Wenn er Hyperloop One besuchte, dann manchmal mit Gästen, die für ein Transport-Startup seltsam wirkten: Katy Perry, will.i.am. Einmal, ganz am Anfang, brachte er gar ein lebendiges Schwein mit.

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Anfang Juli, WIRED besucht Hyperloop One im Hauptqaurtier in einem gentrifizierten Viertel von Downtown L.A. (das Soho House wird einen Block weiter einziehen, gegenüber von einem Stripclub). Retro-Poster von Zügen pflastern die Wände, an Stehschreibtischen arbeiten Angestellte an Simulationsmodellen. In der Rezeption wartet ein Ingenieur auf sein Bewerbungsgespräch. Die Firma ist mittlerweile auf mehr als 150 Mitarbeiter angewachsen.

Auffällig abwesend: Brogan BamBrogan. Ende Juni hat das Unternehmen mitgeteilt, er habe „aus persönlichen Gründen“ gekündigt. An seiner Stelle hat man Josh Giegel zum President of Engineering ernannt (und ebenso, nachträglich, zum Co-Gründer). „Es waren ein paar schwierige Wochen für die Firma“, sagt Lloyd. „Unser Team steht jetzt viel enger zusammen als vorher.“

Im Hof gießen Ingenieure Betonteile, mit denen die Testkapsel die Röhre hinunter geleitet wird. Andere arbeiten am Redesign des Motors. Die hohe Geschwindigkeit des Hyperloops und der geringe Druck können zu bizzaren physikalischen Effekten führen. Deswegen steht im Firmensitz ein Niedrigdruck-Windkanal, um neben digitalen Simulationen auch unter Realbedingungen testen zu können. „Ich habe irgendwo angerufen und gesagt: Wir brauchen einen Windkanal der das kann“, erinnert sich Giegel. „Sie sagten: Wir können euch in 90 Tagen ein Design zeigen.“ Stattdessen baute das Team ihn in zehn.

Das Design von Hyperloop One unterscheidet sich mittlerweile stark von Elon Musks Vorschlag. Zum einen verzichtet es auf Luftkissen, zugunsten von passiver Magnetschwebetechnik. Anders als etwa beim japanischen Maglev-Zug, der stark gekühlte supraleitende Magneten erfordert, gelten passive Systeme als kostengünstiger. Die Bewegung der Kapsel lässt sie schweben. „Luftkissen haben winzige Abstände. Mit unserem neuen Maglev-System kommen wir auf 25 bis 40 Millimeter, was sehr viel tragfähiger ist“, erklärt Giegel.

Auch die Solarpanels mussten weichen. „Das würde den Durchsatz der Röhre beschränken, denn wenn du mehr Kapseln fahren lassen willst, kannst du nicht mehr Solarpanels nutzen“, sagt Giegel. Ein Hyperloop der am Stromnetz hängt, sei viel effzienter.

Eine derart sinnlose Idee, dass sie es nicht wert ist, auch nur darüber zu reden

Rod Smith, Professor für Ingenieurwesen am Imperial College in London

Den Hyperloop zu bauen, stellt Ingenieure nach wie vor vor große Herausforderungen. Bei den hohen Geschwindigkeit erfordern Beschleunigung und Bremsen enorme Strecken, ebenso das Wenden. Strecken müssen so gerade und flach wie möglich verlaufen, um unangenehme G-Kräfte zu vermeiden. „Wir wollen nicht, dass das eine Achterbahn wird“, sagt Giegel. „Unser Ziel ist, dass es sich wie im Flugzeug anfühlt: Start, Landung, geneigte Kurven.“ Eine Möglichkeit, das zu bewerkstelligen, wären Tunnel unter der Erde – oder dem Meer. Beides würde die Kosten für den Hyperloop enorm in die Höhe treiben.

Viel von Hyperloop Ones Arbeit hat mit der Reduzierung dieser Ausgaben zu tun. In der Robot Training School des Unternehmens wurde eine Maschine darauf programmiert, Röhrenverbindungen „sehr viel schneller und reproduzierbarer zu schweißen, als es ein Mensch jemals könnte“, sagt Giegel. An anderer Stelle werden Stresstests mit alternativen Materialien durchgeführt, um die Kosten für Stahlröhren und Betonpfeiler zu senken.

„Es ist eine technische Herausforderung, das System ans Laufen zu bekommen, aber ich sehe nicht, warum wir das nicht schaffen sollten“, sagt Berater John Miles. Außerdem seien die Risiken es wert: „Selbst wenn die Kosten für den Hyperloop auf das Niveau von bisherigen Hochgeschwindigkeitszügen ansteigen, spielt die Performance immer noch in einer ganz anderen Liga.“

Doch ein Kostenpunkt stellte sich als definitiv zu hoch heraus: Beide Firmen, Hyperloop One und HTT, haben die Idee einer Strecke von Los Angeles nach San Francisco aufgegeben. Das Land zwischen den Metropolen ist einfach zu teuer ­– und sogar Musk konnte keinen Weg finden, Bahnhöfe nah genug an den Stadtzentren zu bauen. Hyperloop One denkt stattdessen an die Route L.A.-Las Vegas. Wahrscheinlich wird der erste Hyperloop aber außerhalb der USA fahren, in einem Schwellenland, oder auf einem langen Streifen Land in Privatbesitz.

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Das Hauptquartier von HTT, im Verkehr von L.A. 30 Minuten von dem der Konkurrenz entfernt, hat einen eher schlichten Charme. Der kleine Hangar mit Büro im Obergeschoss ist voller Promo-Poster und Modelle des Designs der Firma. Beim Besuch von WIRED bauen zwei Arbeiter gerade eine lebensgroße Hyperloop-Kapsel aus Holz zusammen, wiederverwendete Autositze stellen die Passagierbänke dar. Bibop Gresta, in Weste und Krawatten über Lederhosen und hochgeschlossenen Sneakern, führt durch den Firmensitz. An einer Stelle holt er eine Metallröhre und einen Magneten hervor, so groß wie ein Eishockey-Puck. Um die Magnetschwebetechnik zu demonstrieren, lässt er den Puck fallen und langsam die Röhre entlang gleiten. „Wow, oder?“, sagt er aufgeregt. „Magie.“

Gresta ist ein begnadeter Entertainer mit ansteckendem Enthusiasmus. Wenn man ihm zuhört, klingt HTTs Hyperloop fast zu schön, um wahr zu sein: Neben Solarenergie werde er – „der wahre Hyperloop“, wie Gresta sagt – auch Windkraft, kinetische Ernergie und, wo möglich, sogar Geothermie nutzen. „Diese Kombination erzeugt bis zu 30 Prozent mehr als wir brauchen“, sagt er. Die Pfeiler der Bahn würden zudem als vertikale Gärten genutzt und von „Chinas größter Firma auf diesem Gebiet“ entworfen.

Der HTT-Hyperloop soll so transformativ sein, dass Landbesitzer sich darum reißen werden, dass Strecken über ihren Besitz verlaufen. „Du bist der Farmer. Ich komme zu dir und sage: Ich stelle alle 200 Fuß einen Pfeiler auf dein Land, okay? Im Gegenzug gebe ich dir Elektrizität, Wasser, ich gebe es dir und du kannst damit machen, was du willst, um Profit zu machen“, erklärt Gresta. „Du kannst Tau aus der Luft sammeln und er wäre fast zu schade, um die Felder damit zu bewässern, so rein wird er sein. Ich kann dir Bandbreite geben. Es ist komplett still. Und schön anzusehen – keine Pipeline, wie du sie in der Wüste gesehen hast.“ HTT denkt darüber nach, Tickets kostenlos anzubieten und stattdessen Geld mit Werbung zu verdienen. Gresta sagt, seine Firma werde 2018 den ersten Hyperloop bauen.

All das muss das Unternehmen allerdings erst noch beweisen. Das Designlabor sei für Besucher Tabu, so Gresta. „Sie kopieren alles“, sagt er mit Bick auf Hyperloop One. „Wenn wir es enthüllen, wird es dazu zu spät sein.“

Er klingt verbittert. „Sie haben den Namen kopiert ­– sie hießen mal Hyperloop Technologies, falls ihr euch erinnert. Sie haben das Logo kopiert“, sagt Gresta sichtlich verärgert. „Jedes Mal wenn wir etwas ankündigen, jedes Land, in das wir gehen und mit der Regierung sprechen – sie gehen auch hin. Die Strategie ist also ganz klar.“ (Pishevar bestreitet das und sagt, der ursprüngliche Name seiner Firma sei von Uber Technologies inspiriert gewesen – von HTT habe er „nie gehört“.)

Ein Teil von HTTs Technologie ist jedoch öffentlich: Auch ihr Hyperloop setzt auf Magnetschwebetechnik, die vom Lawrence Livermore National Laboratory lizensiert wurde, und nutzt Vakuumpumpen von Leybold, einem Zulieferer des CERN. Andere Aspekte klingen nach Fantasy: HTT sagt, die Hülle seiner Kapseln bestehe aus „Vibranium“ – einer berührungsempfindlichen Karbonfaser, die in der Slowakei hergestellt wird und nach dem fiktiven Material benannt ist, aus dem der Schild von Captain America besteht. (Die Marvel-Vorliebe geht noch tiefer: In E-Mails nutzt Gresta einen KI-Assistenten namens J.A.R.V.I.S ­– so wie Tony Stark in Iron Man).

„Ganz ehrlich: Die Technologie ist nicht wirklich kompliziert“, sagt Ahlborn. „Alles existiert schon. Du musst es nur zusammenfügen und es muss gut zusammenarbeiten. Wir konzentrieren uns jetzt vor allem auf die Passenger Experience, neue Geschäftsmodelle, alternative Monetarisierungsstrategien.“

HTT hat bereits einen Vertrag mit der Regierung der Slowakei unterschrieben, um mögliche Strecken im Land zu erkunden. Zusammen mit der Deutschen Bahn arbeitet das Unternehmen am sogenannten Innovation Train, der Hyperloop-Features wie Augmented-Reality-Fenster bekommen soll (die beim Besuch von WIRED ebenfalls nicht vorgeführt werden konnten).

Und Hyperloop One? „Die veranstalten einen Stunt auf einer Schiene“, sagt Gresta achselzuckend. „Sie haben eine Achterbahn erschaffen. Viel Glück.“

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Am Morgen nach dem Besuch von WIRED bei Hyperloop One reichten vier hochrangige Ex-Mitarbeiter eine explosive Klage gegen das Unternehmen ein. Brogan BamBrogan, Knut Sauer, Ex-Vizechef David Pendergast und William Mulholland werfen ihrem früheren Arbeitgeber vor: „Diejenigen, die die Kontrolle über die Firma haben, haben die Arbeit des Teams immer wieder missbraucht, um ihre persönliche Marke zu stärken, ihr Liebesleben voranzubringen und sich ihre Taschen (sowie die von Familienmitgliedern) vollzumachen.“

Einer der bemerkenswertesten Vorwürfe: Pishevar habe eine Beziehung mit einer Mitarbeiterin von Pramana Collective angefangen, einer PR-Firma, die für Hyperloop One gearbeitet hat. Später verlobten sich die beiden. Zu diesem Zeitpunkt, so die Klage, habe Pishevar „ihr Honorar von 15.000 auf 40.000 Dollar im Monat erhöht, mehr als jeder andere Mitarbeiter der Firma bekam“. Als die Verlobung dann doch nicht zur Heirat führte, sei der Vertrag beendet worden.

Hyperloop One und Pramana Collective sagen, der Anstieg habe lediglich den Wechsel von einem vergünstigten zum normalen Honorarsatz reflektiert und nennen den Vorwurf der Kläger „sexistisch und erniedrigend“.

Pishevar soll weiterhin potenzielle Investoren mithilfe seiner anderen Firma Sherpa Capital unter Druck gesetzt haben (er bestreitet das). Pishevar und Lonsdale sollen sich außerdem die Kontrolle über die Firma gesichert haben, indem sie sich Anteile mit 20-zu-1-Stimmrecht zuschanzten.

Die Kläger behaupten auch, Mitarbeiter seien gezwungen worden, Verträge zu unterschreiben, laut denen das Unternehmen ihre Anteile zu Preisen unter Marktniveau zurückkaufen und nicht in Anspruch genommene Aktienoptionen canceln kann, sollte die Firma jemals verkauft werden: „Diese Optionen waren also (...) potenziell wertlos für die Mitarbeiter.“ Mehrere Experten, mit denen WIRED gesprochen hat, stimmen zu, dass diese Klausel – falls wahr – mindestens unüblich sei. „Niemand tut das, weil es sinnlos ist, solche Optionen zu besitzen“, sagt etwa Colin Kendon von der Anwaltskanzlei Bird & Bird.

Nach wenigen Tagen antwortete Hyperloop One mit einer eigenen Klage. Deren 46 Seiten lesen sich wie ein Flughafen-Thriller: BamBrogan, Pendergast, Sauer und Mulholland werden durchweg als „The Gang of Four“ bezeichnet. Ihre Klage wird „The Sham Complaint“ genannt. BamBrogan, so sein Ex-Arbeitgeber, sei ein „leicht unterdurchschnittlicher Ingenieur“, ein „egomanischer und gieriger“ Sexist, der „oft betrunken im Büro aufgetaucht ist“ (BamBrogan bestreitet das).

Hyperloop One wehrte sich energisch gegen die Vorwürfe seiner früheren Mitarbeiter. In Wahrheit habe die „Gang“ heimlich „einen Putsch geplant und geschürt“ sowie geplant, eine Konkurrenzfirma zu gründen, Hyperloop Two. Wegen mehrerer Vertragsbrüche fordere man 250 Millionen Dollar Schadensersatz.

Der Rechtstreit brachte monatelange interne Machtkämpfe ans Licht. Nur Tage nach dem Testlauf in Nevada unterschrieben elf führende Mitarbeiter, darunter BamBrogan und Giegel, einen Brief an Pishevar und Lloyd. Darin forderten sie Pishevars Rücktritt aus dem Vorstand und Kontrolle per Stimmrecht über Hyperloop One für die Mitarbeiter. Nach wochenlangen angespannten Verhandlungen, ging das Unternehmen auf einige der Forderungen ein, nahm etwa Ingenieure in den Vorstand auf und entfernte die Rückkauf-Klausel aus den Verträgen. Doch Pishevar weigerte sich, zurückzutreten.

Ich will mit krassen Leuten krassen Scheiß bauen, der die Welt zum Besseren verändert

Brogan BamBrogan, Ex-Chefingenieur von Hyperloop One

In den darauffolgenden Tagen, so die Darstellung der Ereignisse aus Sicht von Hyperloop One, erwägte die „Gang“, das Unternehmen zu verlassen und einen Rivalen zu Gründen. Die Unterzeichner des Protestbriefes trafen sich demnach in BamBrogans Garage und disktutierten ihre Optionen. Laut der Klageschrift überlegten sie dort auch, wie sie die Patente von Hyperloop One umgehen könnten und schrieben Namen potenzieller Mitarbeiter auf eine Tafel, für den Fall, dass Pishevar blieb. BamBrogan soll außerdem die Webadresse hyperlooptoo.com registriert haben. Ein Witz unter Kollegen, wie er sagt. „Wenn ich eine Hyperloop-Firma gründen wollte, dann würde ich sie ganz bestimmt nicht HyperloopToo nennen!“

Die Anwälte von Hyperloop One behaupten allerdings, dass auch hyperloop2.com und hyperlooptwo.com gekauft worden seien, „vermutlich von BamBrogan“. Dieser bestreitet das. Auch das Timing ist seltsam: Die Adressen wurden am 9. und 11. Mai registriert, die Namensänderung in Hyperloop One erfolgte am 10. Mai. Auf die Frage, ob das Unternehmen oder jemand in seinem Auftrag die Adressen registriert habe, teilte Hyperloop One nur mit: „Kein derzeitiger Mitarbeiter der Firma hat den Kauf dieser Domainnamen veranlasst.“

Mitte Juni kam es dann zum endgültigen Bruch. BamBrogan sollte eigentlich nach Russland fliegen, um hochkarätige Investoren zu treffen, darunter der Milliardär Ziyavudin Magomedov. Als Teil der Reise war auch ein Treffen mit Präsident Putin geplant. BamBrogan kaufte sich zu diesem Anlass einen neuen Anzug sowie Quinoa und Schokolade als Geschenk für die Familie des Investors. Weil Pishevar jedoch immer noch die Kontrolle über das Unternehmen hatte, teilte BamBrogan den Geldgebern mit, er werde nicht kommen. Pishevar flog allein. Bei seiner Ankunft brachten die Investoren ihre Sorge darüber, was BamBrogan ihnen erzählt hatte, zum Ausdruck.

Was dann passierte, ist der zentrale Punkt des Rechtsstreits. So viel ist sicher: Während Pishevar in Russland versuchte, die Investoren zu beruhigen, beschaffte sein Bruder Afshin – verärgert über BamBrogans Verhalten – ein Seil, machte einen Schiebeknoten ans eine Ende und legte es spät nachts auf einen Stuhl im Büro des Ingenieurs, um ihm eine Botschaft zu senden.

Als BamBrogan das Seil am nächsten morgen entdeckte, verstand er das als Todesdrohung, weil es für ihn aussah wie ein „Galgenstrick“, und rief die Polizei. Außerdem versuchte er, eine einstweilige Verfügung gegen Afshin zu erwirken, die aber später abgelehnt wurde. „Er hatte bei meiner Familie gewohnt. Hatte immer noch einen Schlüssel zu meinem Haus. Ich hatte extreme Angst. Meine Frau war schwanger und mein Leben wurde bedroht“, sagt BamBrogan. Hyperloop One behauptet, das Seil sei ein „Lasso“ gewesen, „für jemanden, der sich wie ein Cowboy aufführt“. So oder so wurde Afshin Pishevar sofort gefeuert. Das Unternehmen heuerte Sicherheitsleute für sein Büro an. Die BamBrogans verbrachten die folgende Nacht im Hotel.

Währenddessen war Shervin Pishevar beim St. Petersburger Wirtschaftsforum, einem jährlichen Treffen der Weltelite mit Russlands Präsident Putin als Gastgeber. Auch Dirk Ahlborn war in der Stadt, um über HTTs Hyperloop zu sprechen. Ein solches Event voller Milliardäre und Staatschefs lohnt sich für Infrastruktur-Startups. In einem Ballsaal des Konstantinpalastes präsentierte Pishevar seinen Hyperloop vor Putin, Politikern aus China und Saudi-Arabien sowie dem Staatsfond von Katar. Putin machte Witze über den Hyperloop. „Er sagte tatsächlich, dass er glaubt, der Hyperloop werde die Welt und wie Weltwirtschaft fundamental verändern“, sagt Pishevar. Die zwei posierten für ein gemeinsames Foto. Der Bürgermeister von Moskau und Ziyavudin Magomedov unterschrieben eine Vereinbarung, potenzielle Routen in der russischen Hauptstadt zu erkunden.

In Los Angeles war BamBrogan derweil aufgebracht. Die Gruppe um ihn versammelte sich samt Familien im Hyperloop-One-Büro, zum verbalen Showdown mit dem Unternehmen. Pendergast wurden vor den Augen seiner Frau und Tochter gefeuert, Hyperloop One warf ihm vor, die Position der Firma gegenüber Investoren geschwächt zu haben. Während des Treffens, behaupten die Ex-Mitarbeiter, habe das Unternehmen ihnen einen „wirtschaftlichen und juristischen Krieg von Millionären mit umfangreichen Netzwerken“ angedroht. Sieben Unterzeichner des Protestbriefs, darunter Giegel, blieben bei Hyperloop One. BamBrogan, Sauer und Mulholland kündigten.

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Laut Hyperloop Transportation Technology soll der erste Hyperloop im Jahr 2018 eröffnen. Das Unternehmen plant den Bau von acht Kilometern voll funktionsfähiger Strecke im Quay Valley, einem Stadtentwicklungsprojekt in Kings County, Kalifornien. „Wir beginnen dieses Jahr mit der Konstruktion“, sagt Gresta. „Wir bauen keine Teststrecke irgendwo im Nichts. Wir bauen einen vollausgestatteten Hyperloop in einer Stadt, mit dem zehn Millionen Menschen fahren werden.“

Die Strecke im Quay Valley soll zwischen 100 und 150 Millionen Dollar kosten. „Geld ist nicht wirklich das Problem“, sagt Ahlborn. „In dem Moment, wo wir den Abzug betätigen, wird es da sein.“ Gresta drückt es ähnlich flapsig aus: HTT habe von Investoren „diverse Angebote auf dem Tisch“. Und neben ihrer Zeit, betont er, hätten die Freiwilligen eben auch Geld investiert. Eine deutsche Firma hat allein 1,7 Millionen Dollar beigesteuert.

Nach mehr Details gefragt, wird Gresta unruhig. „Man kann sagen, das Unternehmen hat 70 Millionen Dollar in Assets“, prahlt er – wenn man Land, Technologie und die Vakuumpumpen dazuzählt (laut dem Hersteller Leybold sind letztere nur geliehen). Auf weitere Nachfrage beziffert Gresta das Ingenieurstalent auf 30 Millionen Dollar ­– also den Wert der Zeit, die die Freiwilligen im Gegenzug für Aktienoptionen investieren. (Gresta und Ahlborn bekommen ein Gehalt von JumpStartFund.)

Eine weitere Einkommensquelle sind laut Gresta die vielen Reden, die die beiden halten. „Wir werden dafür bezahlt, da hinzugehen! Auf Events sprechen, Pressekonferenzen geben, Meetings. Ich kann die Firma hiermit managen“, sagt er und zeigt auf sein Smartphone. Seine Augen leuchten vor Begeisterung.

Grestas theatralische Tendenzen waren anfangs unterhaltsam, später scheint er jedoch dazu zu neigen, die Realität zu überdehnen. Zum Beispiel erzählt er, er habe sich in Italien einen Namen gemacht, indem er seine 40 Prozent Anteile am Online-Medienunternehmen Bipop Research an eine Tochterfirma der Telecom Italia verkaufte. „Es ging für elf Milliarden Lire weg“, sagt Gresta und prahlt mehrmals, dass das umgerechnet „50 Millionen Dollar“ gewesen seien. Nur: Nach den Wechselkursen von 1999 waren elf Milliarden Lire gerade einmal sechs Millionen Dollar wert. Und: Nach Finanzdokumenten aus der Zeit lag die tatsächliche Kaufsumme nur bei vier Milliarden Lire.

Damit konfrontiert, sagt Gresta, der Vertrag habe noch zusätzlich sieben Milliarden Lire für „Dienstleistungen“ umfasst. Kurz nach dem Kauf habe die Telecom-Tochterfirma aber begonnen, „den Vertrag zu verletzten“, und die Anteile weiterverkauft. Er benutzt die Zahl der elf Millionen weiterhin in Geschäftsberichten.

Bevor er zu HTT kam, will Gresta außerdem für eine italienische Firma namens ClearLeisure gearbeitet haben, die unter anderem Vergnügungsparks besitzt. „Verrückte Engineering-Projekte zu planen, ohne jemanden umzubringen – das war mein Job“, sagt er. „Vertraut mir: Wenn man Vergnügungsparks bauen kann, ist der Hyperloop ein Klacks.“ Nur: Laut Unternehmensunterlagen war Gresta gar kein Mitglied der Geschäftsleitung von ClearLeisure und arbeitete nur 13 Monate für das Unternehmen – ein einer Zeit, als die Firma keinerlei Parks baute.

Mitte August teilte das Planning Department von Kings County WIRED mit, dass man nach wie vor auf die vollständigen Antragsunterlagen von HTT für das Quay-Valley-Projekt warte – und dass das Genehmigungsverfahren zwischen sechs Monaten und mehreren Jahren dauern könne.

Irgendwann scheinen die Fragen von WIRED Gresta aus der Fassung zu bringen. „Ihr wollt Mist erzählen und irgendeine reißerische Schlagzeile machen? Tut es!“, sagt er sichtlich verärgert. „Aber damit erweist ihr euren Lesern und der Menschheit keinen großen Dienst. Was auch immer ihr schreibt, es ist jetzt schlecht für mich, und in einem Jahr wird es schlecht für euch sein.“

Nach ein paar Minuten beruhigt er sich wieder. „Alle die hier arbeiten, tun das mit sehr viel Leidenschaft“, sagt Gresta. „Wir scheißen drauf, wenn uns jemand jetzt nicht ernst nimmt. irgendwann werden sie es tun.“

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Während dieser Artikel erscheint, ist der Rechtsstreit um Hyperloop One auf dem Weg durch die Gerichtsinstanzen. Das Unternehmen sei „stärker als je zuvor“, schreibt Josh Giegel per E-Mail. Der Devloop wird in der Wüste Nevadas gebaut, eine öffentliche Vorführung ist für 2017 geplant. Die Firma erkundet mögliche Strecken in Russland, Dubai, Skandinavien und der Schweiz. In Großbritannien verhandelt Hyperloop One mit der Peel Group, der der Manchester Ship Canal gehört. Eine Option sei eine Hyperloop-Strecke, „die Liverpool, Manchester und Leeds zu einer einzigen großen Stadt macht“, sagt Alan James, Leiter für internationale Geschäftsentwicklung bei Hyperloop One, früher tätig bei Hochgeschwindigkeits-Bahnprojekten in Großbritannien.

Brogan BamBrogan ist nach wie vor bestürzt über die Ereignisse. Er hat keine Pläne für die Zukunft, sagt aber, die Erfahrung lasse ihn noch viel stärker an sein persönliches Ethos glauben: „Mit krassen Leuten krassen Scheiß bauen, der die Welt zum Besseren verändert.“

Dass sich Firmengründer zerstreiten, ist nicht ungewöhnlich. Facebook, Apple, Tinder, Snapchat – es ist schwer, viele Unternehmen zu finden, bei denen es nicht an irgendeinem Punkt interne Dramen gegeben hat. Manche Firmen überleben das, andere zerreißt es.

„Das ist größer als Shervin, größer als Brogan, größer als Rob“, hatte Josh Giegel beim Besuch bei Hyperloop One gesagt. Was er damals auch sagte: „Wir fliegen nicht mit Wright Brothers Airlines. Nachdem sie die ersten gewesen waren, verbrachten sie einen Großteil ihrer Zeit damit, zu prozessieren, Leute zu verklagen, denen sie vorwarfen, ihre Ideen geklaut zu haben.“ Die Hyperloop-Pioniere wollen es denen der Luftfahrt nicht gleichtun.

Elon Musks Idee vom Hyperloop findet nach wie vor Anhänger. Startups aus Deutschland und Kanada versuchen, sie zu verwirklichen. SpaceX baut eine Strecke, auf der Studenten ihre Kapsel-Designs testen können. „Ich glaube, er kann gebaut werden“, sagt John Sullivan, Professor für Ingenieurwesen an der Purdue University, Heimat eines der Wettbewerbsteams, über den Hyperloop. „Aber im Maßstab von Jahrzehnten, nicht Jahren.“

Vielleicht wird der Hyperloop gebaut. Vielleicht nicht. Vielleicht wollen wir bloß glauben, dass er es wird.

Kurz bevor WIRED das HTT-Hauptquartier verlässt, führt Gresta auf Drängen seines Assistenten jedenfalls noch einen Zaubertrick vor: Er hält zwei Streichhölzer zwischen zwei ausgestreckten Fingern. Dann hält er ganz still, für den dramatischen Effekt. Es ist spät, draußen staut sich der Verkehr zur Rush Hour auf dem Highway. Dann, plötzlich, springt das obere Streichholz in die die Luft und fällt auf den Tisch. Gresta lacht: „Wie ist das möglich?“

Es ist fast, als hätte er gar nichts getan.

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Dieser Artikel erschien zuerst bei WIRED UK.

Mitarbeit: Gian Volpicelli

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